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Wurst statt Patriotismus
Sebastian Bähr über die falsche Impfwerbung von Jens Spahn
Angesichts nur noch langsam steigender Impfquoten hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an die Bevölkerung appelliert. »Impfen ist ein patriotischer Akt«, schrieb der CDU-Politiker am Donnerstag auf Twitter. »Man schützt nicht nur sich selbst, sondern uns als Gesellschaft.« Ob Spahn sich mit diesem unnützen Geschwafel vor allem bei einigen Konservativen profilieren wollte, ist unklar. Fest steht jedoch, dass Patriotismus sicher nicht die Lösung sein wird, um die Corona-Pandemie unter Kontrolle zu bekommen. Und er hilft auch nicht beim Verständnis, warum bestimmte gesellschaftliche Milieus geringere Impfquoten aufweisen als andere. Der Minister wirft hier eine rechtsoffene Nebelkerze, um mal wieder von seinem Versagen abzulenken.
Mittlerweile ist doch längst klar, dass Impfen eine Klassenfrage ist: Impfbegeistert ist vor allem die gebildete Mittel- und Oberschicht. Ärmere, migrantischere und bildungsferne Menschen haben schlechtere Zugänge zu Fachärzten, weniger Vertrauen in das Gesundheitssystem, weniger Informationen über die Impfangebote und ihre Nebenwirkungen – oder auch schlicht kaum Zeit, während der vollen Arbeitswoche noch umständliche Wege für eine Impfung auf sich zu nehmen. Die Impfskepsis und Angst vieler solcher Menschen mag Bessergestellten lächerlich vorkommen, doch hat sie oft eben auch Ursachen. Schlechte Erfahrungen prägen.
Umso wichtiger ist es, dass es im großen Maßstab niedrigschwellige Impfangebote, leicht verständliche und mehrsprachige Öffentlichkeitskampagnen und aufsuchende Impfaktionen in ärmeren Stadtteilen und Ortschaften gibt. Entsprechende Erfahrungen der vergangenen Wochen waren hier sehr positiv, da gilt es anzusetzen. Die Bratwurstverteilung für Impfwillige in Sonneberg in Thüringen hat so jedenfalls deutlich mehr für die Impfquote getan als Spahns Patriotismusgebrabbel.
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