Ein Kiez kämpft um sein Krankenhaus

Stadtteilinitiative Hände weg vom Wedding demonstriert vor dem Virchow-Klinikum

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

In wenigen Tagen läuft das Ultimatum aus, das die Berliner Krankenhausbewegung der Universitätsklinik Charité, der Krankenhausgesellschaft Vivantes sowie deren Tochterfirmen gestellt hat. Die beiden zentralen Forderungen lauten: Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für alle Beschäftigen und mehr Personal. Werden die Forderungen nicht erfüllt, könnten nach dem 20. August die Beschäftigten - unterstützt von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi - Vorbereitungen für den Arbeitskampf treffen.

Hilfe bekommen die Klinik-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter auch von linken Gruppen. »Ein Kiez kämpft um sein Krankenhaus« lautete das Motto einer Solidaritätskundgebung, zu der die Stadtteilinitiative Hände weg vom Wedding (HwvW) am Freitagabend vor das zur Charité gehörende Virchow-Klinikum an der Amrumer Straße aufgerufen hatte.

»Wir fordern die Vergesellschaftung des Gesundheitswesens und der sozialen Dienste und den uneingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung für alle«, erklärte Marcel von HwvW. Die Stadtteilinitiative listete in ihrem schon vor einigen Monaten veröffentlichten Forderungskatalog auch konkrete Reformvorschläge für das Gesundheitswesen auf. Dazu gehört auch die Abschaffung der Fallpauschalen in der Pflege. Auf die Parteien könnten sich die Beschäftigten dabei nicht verlassen, betont Aktivist Marcel, der auf Selbstorganisierung im Kiez und am Arbeitsplatz setzt. »Wir solidarisieren uns mit Beschäftigten im Kampf gegen Outsourcing und schlechte Bezahlung«, sagt Marcel.

Auch ein Mitglied der AG Taxi bei Verdi erklärte sich in einem kurzen Redebeitrag solidarisch mit den Krankenhausbeschäftigten und forderte einen grundlegenden Wandel im Gesundheitswesen. Dieser sei dringend notwendig, bekräftigte auch Valentin, der selbst als Pflegekraft arbeitet. Er engagiert sich in der Initiative Walk of Care, die jeden Mittwoch ab 16 Uhr vor dem Bundesgesundheitsministerium für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege demonstriert. Trotzdem sei die Gesundheitspolitik bei allen Parteien im Wahlkampf kein großes Thema, meint Valentin. Dabei wachse in einer alternden Gesellschaft die Bedeutung des Care-Sektors, wie der Pflegebereich auch genannt wird. Wenn es nicht gelingt, mehr Personal einzustellen, werde man in absehbarer Zeit um Triage - also die Auswahl, welchem Patienten noch geholfen werden kann - nicht herumkommen, so sein pessimistisches Szenario. Das würde bedeuten, dass aus Personalmangel in den Krankenstationen nicht mehr alle hilfs- und pflegebedürftigen Patienten behandelt werden könnten. Valentin berichtet, bereits 2016 hätten im Virchow-Klinikum krebskranke Kinder wegen Personalmangels nicht behandelt werden können.

Zwei Medizinstudenten, die zufällig vorbeikamen, applaudierten spontan. Eine weitere Sprecherin von HwvW erinnerte daran, dass im Care-Sektor noch immer hauptsächlich Frauen arbeiten, die von den schlechten Arbeitsbedingungen betroffen sind.

Ramazan Bayram von der Berliner Aktion gegen Arbeiterunrecht zeigt sich gegenüber »nd« überzeugt, dass das Krankenhauspersonal seine Ziele ohne Arbeitskampf nicht erreichen werde. Auf der Kundgebung war man sich letztlich einig, dass deutlich mehr Solidarität vonnöten sei. »Wenn der Arbeitskampf beginnt, trefft ihr uns am Streikzelt«, so das Versprechen der Stadtteilinitiative.

Die Meldung, dass die Gewerkschaft Verdi mit der Charité am Freitag erste Verhandlungen über Entlastungen am Arbeitsplatz aufgenommen hat, zeigen dabei aber auch: Der durch das Ultimatum erzeugte Druck wirkt.

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