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- SPD im Wahlkampf
Die Schwäche der anderen
Olaf Scholz ist der beliebteste Kanzlerkandidat und schielt auf eine Koalition mit Grünen und FDP
So manche Beobachter der Bundespolitik haben sich verwundert die Augen gerieben. Olaf Scholz hat seine Konkurrenten Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) in Umfragen überholt. Somit gilt der Sozialdemokrat als der beliebteste Kanzlerkandidat. Es wäre falsch, den Finanzminister in den kommenden Wochen bis zur Wahl am 26. September zu unterschätzen. Im Unterschied zu seinen glücklosen SPD-Vorgängern Martin Schulz, Peer Steinbrück und Frank-Walter Steinmeier hat Scholz immerhin schon bewiesen, dass er als Spitzenkandidat einen erfolgreichen Wahlkampf bestreiten kann. Vor rund zehn Jahren holte er in Hamburg die absolute Mehrheit und fuhr vier Jahre später wieder ein überzeugendes Ergebnis ein.
Die jüngsten Landtags- und Bundestagswahlen haben gezeigt, dass viele Menschen mit Politikern sympathisieren, die sie kennen und die als verlässlich gelten, unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Wer derzeit Ministerpräsident ist, wird mit großer Wahrscheinlichkeit wiedergewählt. Bei der Bundestagswahl hat kein Anwärter diesen Amtsbonus, weil Kanzlerin Angela Merkel nicht noch einmal antritt. Scholz hat im Vergleich mit Baerbock und Laschet zweifellos die größte bundespolitische Erfahrung. Als Krisenmanager war er während der Coronazeit und der Flutkatastrophe zudem medial präsent.
Die großen Medien standen dem Hamburger zuletzt wohlwollend gegenüber. Während Baerbocks Fehler im Lebenslauf und fehlende Fußnoten in ihrem Buch sowie Laschets Lachen am Ort der Flutkatastrophe hemmungslos ausgeschlachtet wurden, bietet Scholz offensichtlich keine entsprechend große Angriffsfläche. Somit liegt seine Stärke auch in der Schwäche der Konkurrenten begründet.
Trotz der guten Werte von Scholz liegt die SPD weiter am Boden. Sie kommt in allen Erhebungen auf weniger als 20 Prozent und würde somit ihr bislang schlechtestes Bundestagswahlergebnis einfahren. Scholz mag zwar auch in konservativen Kreisen gut ankommen, ein Liebling der Parteibasis ist er aber nicht. Er war ein Verfechter der neoliberalen Agenda 2010 und beerdigte einst mit seinen Mitstreitern die Werte der Sozialdemokraten.
Die Kandidatur von Scholz ist ein Beleg dafür, dass das alte Parteiestablishment weiterhin die Geschicke der SPD bestimmt und der Einfluss der von der Basis gewählten eher linken Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans gering ist. Im Unterschied zu ihnen ist Scholz kein Politiker, der eine Annäherung an die Linkspartei vorantreiben könnte. Er hat deren »Regierungsfähigkeit« in Frage gestellt und unter anderem die unterschiedlichen Haltungen zum Militärbündnis Nato betont.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass Scholz eine Koalition mit Grünen und FDP präferieren würde und sich in dieser Konstellation zum Kanzler wählen lassen will. Ob das gelingt, steht in den Sternen. Nicht auszuschließen ist, dass die SPD am Ende vor den Grünen landen wird. Die Sozialdemokraten haben rund viermal so viele Mitglieder und erhalten mehr als doppelt so hohe staatliche Zuschüsse wie die Grünen. Im Wahlkampf werden diese Unterschiede spürbar.
In manchen Umfragen haben SPD, Grüne und FDP sogar eine gemeinsame Mehrheit. Das Problem in dieser Konstellation wäre aber vor allem die FDP. Deren Parteichef Christian Lindner würde mit Sicherheit harte Bedingungen stellen. Lindner hat nach der Bundestagswahl 2017 die Gespräche mit Union und Grünen platzen lassen, weil er fürchtete, dass seine Partei in dieser Konstellation zu wenig durchsetzen würde. Die Differenzen in einer Ampel-Koalition wären noch größer, zum Beispiel in der Klima-, Steuer- und Sozialpolitik.
Der SPD wäre es zu gönnen, dass sie in die Opposition geht. Denn nur dort ist eine linke Erneuerung denkbar. Nach der Bundestagswahl dürfte aber erneut die Stunde der Karrieristen um Scholz schlagen, die gleich in welcher Konstellation an einer neuen Regierung beteiligt werden wollen. Die guten Umfragewerte des Kanzlerkandidaten sind Wasser auf die Mühlen von allen, die fälschlicherweise behaupten, dass ihre Partei in der Großen Koalition alles richtig gemacht hat.
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