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»Da müssten viele Regierungsvertreter eigentlich ziemlich erschrocken gewesen sein«
Klimaforscherin Friederike Otto über die Arbeit am neuen IPCC-Bericht, die wichtigsten Ergebnisse und den steigenden Frauenanteil
Der Weltklimarat IPCC liefert mit seinen Berichten die Grundlage für die Klimapolitik der Staaten. Bevor am Montag der erste Teil des nunmehr sechsten Sachstandsberichts veröffentlicht wurde, haben Forschende und Regierungsvertreter zwei Wochen lang die Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger gemeinsam abgestimmt. Wie muss man sich das vorstellen?
Der Ablauf ist tatsächlich so, dass wir jeden Satz der Summary gemeinsam durchgehen. Wir Autoren stellen den Text vor, beantworten Fragen und erarbeiten dann mit den Delegierten Verbesserungen in der Formulierung. Es ist wichtig zu betonen, dass der Inhalt nicht verändert wird, nur die Präsentation, und zwar zum Besseren.
Die Zusammenfassung wird durch die Abstimmung besser?
Ja, es macht den Bericht wirklich besser, denn die Regierungsvertreter sind in den meisten Fällen selbst Wissenschaftler. Sie kennen die Materie gut, wissen aber auch, was Politiker verstehen und was nicht. Die Fakten stehen für sich.
Die zweiwöchige Abstimmung fand wegen Corona erstmals komplett virtuell statt. Hat das die Arbeit erschwert?
Es war insofern gut, als die geplanten Zeiten deutlich besser eingehalten wurden, anders als bei früheren Berichten. Das macht es insbesondere für die kleineren Delegationen leichter, an allem teilzunehmen. Aber es war auch ganz schön einsam, da die Kollegen eben nur über den Messaging-Dienst Slack da waren. Das macht es schwieriger, sich gut abzustimmen.
Aber insgesamt war es eine extrem positive Erfahrung und wir können auf den Bericht sehr stolz sein. Ich habe viel gelernt, auch über mein Spezialgebiet hinaus und tolle neue Kollegen kennengelernt. Es war aber auch sehr viel Arbeit, unbezahlt und zusätzlich zum täglichen Job, das ist schon sehr anstrengend.
Was ist aus Ihrer Sicht die wichtigste Botschaft des neuen Berichts?
Der Bericht zeigt noch deutlicher als zuvor die Dringlichkeit des Handelns. Schon in wenigen Jahren könnte die Erwärmung der globalen Temperatur demnach 1,5 Grad Celsius erreichen oder sogar überschreiten. Nur wenn die Treibhausgasemissionen sofort, rasch und in großem Umfang verringert werden, ließe sich dies verhindern, heißt es dort klipp und klar. Da müssten viele Regierungsvertreter eigentlich ziemlich erschrocken gewesen sein.
Was ist neu an diesem Befund?
Die Genauigkeit, mit der wir dies jetzt sagen können, hat sich stark erhöht. Die Tatsache an sich ist nicht neu und vollkommen konsistent mit dem 1,5-Grad-Bericht des IPCC von 2018. Entscheidend ist dieses Jahrzehnt. Bis 2030 müssen die Emissionen um rund die Hälfte sinken.
Im jetzt vorgelegten ersten Teil des Sachstandsberichts geht es um die physikalischen Grundlagen des Klimawandels. Eingeflossen sind auch Fortschritte in der Attributionsforschung, also aus Ihrem Fachgebiet. Dieses arbeitet heraus, welchen Anteil der Klimawandel am Zustandekommen von Extremereignissen hat. Was sind die wichtigsten neuen Erkenntnisse?
Durch den Klimawandel sind Extremereignisse in allen Regionen der Welt bereits häufiger und heftiger geworden. Das können wir jetzt sehr gut belegen. Und: Auch unter einem 1,5-Grad-Szenario – also wenn es gelingt, das strengere Klimaziel des Paris-Abkommens einzuhalten – wird sich die Wahrscheinlichkeit insbesondere von Hitzewellen deutlich erhöhen. Aber auch das Auftreten von verknüpften Extremen wird wahrscheinlicher, also dass es gleichzeitig zu Hitze und Trockenheit kommt.
Starkregen und Überschwemmungen, Hitzerekorde und Waldbrände – die aktuelle Weltlage illustriert den Bericht leider gut. Worauf müssen wir uns in Zukunft einstellen?
Die Tatsache, dass wir eine stärkere Zunahme von Extremen beobachten, liegt daran, dass wir immer mehr Treibhausgase emittieren und damit die Erwärmung beschleunigt haben. Wenn die Emissionen zurückgehen, auch das zeigt der Bericht, werden die Veränderungen sich verlangsamen. Allerdings geht das nicht von heute auf morgen. Selbst wenn die Emissionen drastisch und Jahr für Jahr gesenkt werden, wird sich das bei der CO2-Konzentration in der Atmosphäre erst nach fünf bis zehn Jahren bemerkbar machen, bei der globalen Durchschnittstemperatur erst nach 20 Jahren.
Abschließend noch eine ganz andere Frage: In der Vergangenheit waren die Autoren der IPCC-Berichte überwiegend Männer, woran es immer wieder Kritik gab. Diesmal liegt der Frauenanteil unter den Wissenschaftlern immerhin bei 30 Prozent. Wie haben Sie das wahrgenommen?
Es gibt wahnsinnig tolle Frauen, die bisher zu wenig wahrgenommen wurden, zum Beispiel Paola Arias aus Kolumbien, die mit mir die Sektion A3 in der Zusammenfassung geleitet hat. Es sind immer noch zu wenige Frauen gerade in der Physik und Klimaphysik vertreten. Aber ganz langsam wird es besser.
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