Das Zwangskorsett eines Gesetzes
Günstigere Betriebsrenten ohne Betriebsrentengesetz (Teil 1)
Eine Betriebsrente nach dem BetrAVG zu gestalten, passt meist weder zu den Bedürfnissen der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer. Gesetzesänderungen auch infolge EU-Recht und Rechtsprechung machen das BetrAVG zudem unberechenbar.
Wirkliche Freiheit für eine Gestaltung nach eigenen Wünschen gewinnt, wer das BetrAVG als unnötige Belastung und Einschränkung über Bord wirft. Dazu bedarf es erstaunlich wenig - bewirkt indes viel.
Eine Betriebsrente jenseits des BetrAVG
Das unnötige Korsett des Betriebsrentengesetzes hat bereits abgestreift, wer die Rente nicht als Arbeitgeber selbst zusagt. Denn der erste Satz des besagten Gesetzes lautet: »Werden einem Arbeitnehmer Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass seines Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber zugesagt (betriebliche Altersversorgung), gelten die Vorschriften dieses Gesetzes.«
Sobald also nicht der Arbeitgeber die Zusage erteilt, gilt schlicht das ganze Gesetz dafür nicht, nicht mal eine einzige Bestimmung daraus. Richtig gemacht ergibt sich so die größte Freiheit für eine optimale und flexible Gestaltung von Betriebsrenten.
Dafür bietet es sich an, eine Konzerngesellschaft einzusetzen oder etwa eine Unternehmensstiftung, auch als eigenständige Teilstiftung einer Gruppenstiftung. Dies kann auch einfach eine Schwestergesellschaft sein, nur darf sie nicht selbst Arbeitgeber der betroffenen Arbeitnehmer sein.
Damit eröffnen sich flexiblere Gestaltungen - etwa wenn Voraussetzung der Betriebsrente ist, dass der Arbeitnehmer bis Rentenbeginn oder Berufsunfähigkeit (BU) tätig bleibt. Auch ein flexibler sozialer Ausgleich zur Vermeidung von Notlagen kann enthalten sein.
Was das Bundesarbeitsgericht entschieden hat
So hat das Bundesarbeitsgericht (Az. 3 AZR 1094/12) bereits mit Urteil vom 20. Mai 2014 entschieden, dass eine von einer Konzernobergesellschaft erteilte Betriebsrentenzusage an einen Arbeitnehmer einer Tochtergesellschaft, der weder bei Erteilung der Zusage noch später Arbeitnehmer der Obergesellschaft war, keine Betriebsrente im Sinne des § 1 (1) BetrAVG ist. Ausdrückliche Folge davon ist, dass auch keine Insolvenzsicherung besteht, der Pensionssicherungsverein also bei Insolvenz der zusagenden Konzern(ober)gesellschaft nicht eintritt, wie das BAG ausdrücklich feststellt.
Positive Nebenfolge ist dann natürlich auch, dass keinerlei Beiträge an den Pensionssicherungsverein zu zahlen sind.
Gemäß BAG kommt es auf das formale Arbeitsverhältnis an. Nach § 17 (1) Satz 2 BetrAVG gilt dieses zwar entsprechend für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für ein Unternehmen zugesagt worden sind.
Die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Tochtergesellschaft stellt indes gemäß BAG-Urteil keine solche Tätigkeit für die Konzernobergesellschaft dar, auch wenn sie dieser wirtschaftlich zugute gekommen ist.
Natürlich kann auch eine Tochtergesellschaft für Arbeitnehmer anderer Tochtergesellschaften oder solche der Konzernobergesellschaft die Zusage erteilen, ebenso eine Konzernstiftung, die dann gegebenenfalls mangels anderer operativer Tätigkeit nebenbei auch nur ein sehr geringes Insolvenzrisiko aufweist.
Längere Unverfallbarkeitsfristen stärken die Mitarbeiterbindung
Eine unverfallbare Anwartschaft nach dem BetrAVG bleibt beim Ausscheiden aus dem Betrieb anteilig erhalten. Die rasche Unverfallbarkeit (nach dem Willen der EU nunmehr binnen dreier Jahre) bewirkt beim Arbeitnehmer trotz hohen Aufwandes nur eine geringe Bindungswirkung.
Auch eine höhere Insolvenzgefährdung der Betriebsrente statt einer Sicherung durch den Pensionssicherungsverein könnte - zumal in einer Krise - den Zusammenhalt zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgeber im Sinne einer wirtschaftlichen Schicksalsteilung stärken.
Beseitigung von Haftungsrisiken beim Arbeitgeber
Den Arbeitgeber kann im Rahmen des BetrAVG eine Einstandspflicht treffen und damit einen kaum zu überblickenden finanziellen Zusatzaufwand, etwa wenn Versicherer oder Pensionskasse als Partner des Arbeitgebers ihre Leistungen einseitig legal herabsetzen - beispielsweise wegen des niedrigen Marktzinses und längerer Lebenserwartung oder auch auf Druck der Aufsichtsbehörde.
Mancher Arbeitgeber wähnt, dass er seiner Haftungsverantwortung entgeht, indem er dem Arbeitnehmer beim Ausscheiden aus dem Betrieb »seinen« Vertrag zur Betrieblichen Altersversorgung (bAV) einfach überträgt - damit sind indes nur Einzelfälle gestaltbar.
Sicherer ist hingegen, die Zusage auf betriebliche Altersversorgung durch eine eigene arbeitnehmerlose Konzerngesellschaft oder Stiftung erteilen zu lassen, ganz ähnlich einer Direktzusage. Dies lässt sich so gestalten, dass diese wiederum auch nicht als Versicherungsgesellschaft einer staatlichen Aufsicht unterliegt.
Bei dieser Art der Organisation »außerhalb der Bilanz« des Arbeitgebers, erstattet dieser an das durchführende Konzernunternehmen/Stiftung laufenden Aufwand gemäß Vereinbarung. Damit entfällt nicht nur jede weitere Haftungsverpflichtung, sondern überhaupt jede weitere Bilanzberührung. Auch Beitragspflichten zum Pensionssicherungsverein (PSVaG) bestehen nicht - und eine solche Sicherung ist bei nicht operativ tätiger Stiftung auch ohnehin entbehrlich.
Anpassungspflichten nach BetrAVG entfallen damit ebenfalls. Ebenso alle Grenzen für einseitige Abfindungen. Da die zusagende Stiftung nicht Arbeitgeber ist, trifft sie auch keine Gleichbehandlungspflichten gegenüber den fremden Arbeitnehmern.
Sozial-/steuerrechtliche Betriebsrente auch ohne BetrAVG
Die Sozialgerichte zählen auch eine solche Versorgung außerhalb des BetrAVG als Betriebsrente - der Begriff ist nicht etwa bereits durch das BetrAVG auch für andere Rechtsgebiete abschließend oder einheitlich ausgeformt, etwa wenn es um Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) geht. § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch (SGB) V nennt als Versorgungsbezüge die Renten der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrenten). Darunter fallen Leistungen der Alters-, der Invaliditäts- oder der Hinterbliebenenversorgung, soweit sie unmittelbar oder mittelbar aus Anlass eines früheren Arbeitsverhältnisses zufließen.
Begriffsverständnis des Bundessozialgerichts (BSG)
In der Rechtsprechung des BSG ist der Begriff der betrieblichen Altersversorgung (bAV) im Beitragsrecht der GKV gegenüber dem der betrieblichen Altersversorgung im BetrAVG schon immer eigenständig verstanden worden. Wird die Rente nicht bereits als Versorgungsweg im BetrAVG erfasst, ist sie dennoch als Rente der betrieblichen Altersversorgung im beitragsrechtlichen Sinn anzusehen, soweit ein enger Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung besteht.
So stellte das Urteil des Bundessozialgerichts (Az. B 12 P 1/09 R) vom 25. Mai 2011 in seinem Leitsatz fest: »Von einer Stiftung an frühere Mitarbeiter der Firmengruppe des Stifters gezahlte ›Altersrenten‹ sind als rentenvergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) beitragspflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung, wenn ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Leistungen und der früheren Beschäftigung besteht und sie dazu bestimmt sind, entgangenes Erwerbseinkommen zu ersetzen.«
Eine Ausnahme fügt das Bundessozialgericht hinzu
»Nur für den Fall, dass eine Leistung nicht mehr unmittelbar auf eine Erwerbstätigkeit zurückzuführen ist und nicht dem Ersatz von Einkommen bzw. Arbeitsentgelt dient, sondern zur Sicherung des Lebensunterhalts bedürftiger Mitglieder oder ihrer Hinterbliebenen bestimmt ist und daher den Charakter privater sozialhilfeähnlicher Leistungen trägt, hat der Senat die Eigenschaft als der Rente vergleichbare Einnahmen verneint.«
Keine Beitragspflicht zur GKV besteht demnach, wenn die Stiftung nicht etwa »Lohnersatz« leistet, sondern - insbesondere je nach Einzelfall - »Notlagen abmildert«, weil dann der Bezug zur Lohnersatzleistung fehlt. Entsprechend gilt die Einordnung als Lohnersatz dann auch steuerlich im Hinblick auf die Lohnsteuer. (Wird fortgesetzt)
Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala ist Geprüfter Finanz- und Anlageberater und Bankkaufmann (www.fiala.de), und Peter A. Schramm ist Diplom-Mathematiker, Sachverständiger für Versicherungsmathematik und Mitglied der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). Beide sind in München tätig.
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