Treptower Impfnächte sind cool

Lange Schlangen bei der ersten Langen Nacht des Impfens in der Arena Treptow

  • Mischa Pfisterer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ich habe sehr lange gewartet und gezögert, aber es ist heute sehr einfach, hier ranzukommen«, sagt eine der wartenden jungen Frauen zu »nd«. Eine andere, etwas ältere zeigt auf den in der Schlange wartenden Mann neben ihr. »Ich bin schon zweimal geimpft, aber der hier noch nicht«, erklärt sie freundlich. Die junge Frau wenige Meter dahinter erzählt von ihrer geimpften Familie und »dass es für sie jetzt auch mal Zeit« werde. Schnell wird in den Gesprächen klar: Die Menschen, die hier warten, wollen sich impfen lassen. Oft haben sie nur auf die richtige Gelegenheit gewartet. Das scheint nun die erste Lange Impfnacht zu sein. Bereits vor dem Beginn um 20 Uhr warten weit über 100 Menschen in der Schlange am Impfzentrum vor der Treptower Arena. »Ich habe Angst vor Spritzen, ich dachte, mit Musik ist es vielleicht leichter«, sagt eine Frau weit vorn in der Schlange.

Auch Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) schaut an diesem Abend im Impfzentrum vorbei. Sie möchte vor allem die jungen Menschen erreichen, »sie motivieren und überzeugen, sich impfen zu lassen«, so Kalayci. »Das, was heute hier passiert, passt perfekt, weil wir ein adäquates Angebot und eine Ansprache an junge Menschen haben.«

Impfstoffe und Impfquoten
  • Am Dienstag sind laut der Website der Gesundheitsverwaltung von den Berliner*innen 61,8 Prozent der Menschen erst- und 53,9 Prozent vollständig geimpft. In Zahlen sind das 2 268 757 Personen mit einer Erst- und 1 888 521 mit vollständiger Impfung, das Robert Koch-Institut, das seine Angaben bereits mittags aktualisiert, gibt als Zahl der Gesamtimpfungen am Dienstag allerdings bereits 4 179 797 an (1 988 596 Menschen sind demnach vollständig geimpft).
  • Die meisten Menschen in der Hauptstadt wurden bisher mit dem Biontech-Impfstoff versorgt: insgesamt wurden hier 3 083 069 verabreicht. Das Vakzin von Moderna haben bisher 525 071 Berliner*innen erhalten. Astra-Zeneca wurde insgesamt bisher an 461 066 Menschen vergeben, Johnson&Johnson an 88 072.
  • Die Impfquoten verteilen sich derzeit wie folgt: In der Altersgruppe 18 bis 59 Jahre sind 56,4 Prozent der Berliner*innen vollständig geimpft, in der Gruppe der über 60-Jährigen sind es 82,8 Prozent, bei den Hochbetagten (über 80) geht die Gesundheitsverwaltung von 98 Prozent aus. clk

Aus dem Gebäude wummern schon Technobässe. Schlange, Türsteher und Musik - »alles wie immer, wenn man in den Club möchte«, lacht einer der Wartenden. Doch beim Eintritt in den »Impfclub« kommt eher wenig Partystimmung auf. Erst einmal müssen die Besucher*innen Einverständniserklärungen unterschreiben, die Aufnahme der Personalien und die obligatorische Aufklärung über sich ergehen lassen. Dann folgen Impfpiks, Eintrag und Stempel in den Impfpass. Und jetzt? Ab auf den Dancefloor oder erst mal zur Bar?

Nicht ganz, eine Impfparty ist eben doch mehr Impfen als Party. »Uns wurde gleich gesagt, dass Hygieneregeln und Maskenpflicht gelten«, berichtet einer der Besucher nach seiner Impfung. »Aber wir konnten nach der Impfung eine halbe Stunde schön zu Musik chillen.« Gereicht dazu wird das In-Getränk Wasser in Tetrapacks. Feiern also eher auf Sparflamme, dafür Biontech satt für alle. »Ich habe jetzt auch nicht wirklich eine Party erwartet, ich bin schon wegen dem Impfen da«, sagt eine junge Besucherin zu »nd«.

»Ich bin sehr dankbar, das die Senatsgesundheitsverwaltung die Idee der Mitarbeiter aus dem Impfzentrum aufgegriffen hat«, sagt Mario Czaja (CDU), Präsident des Berliner Deutschen Roten Kreuzes, am Montagabend vor dem Impfzentrum. »Dass das Angebot heute so positiv angenommen wird, zeigt uns: es war eine gute Idee.« Gesundheitssenatorin Kalayci ergänzt: »Das ist ein Statement, dass Impfen cool und wichtig ist.«

Markus Nisch ist der organisatorische Leiter des Impfzentrums Arena und einer von 75 Prozent der Mitarbeitenden, die eigentlich aus der Kultur-, Musik- und Veranstaltungsbrache kommen. »Bereits im Mai hatten wir die Idee im Team«, sagt er zu »nd«. Das Berliner Rote Kreuz, die Gesundheitsverwaltung und die Clubkommission haben die Pläne dann gemeinsam umgesetzt.

Sechs bis sieben DJ-Sets pro Abend verspricht Nisch. »Alle DJs arbeiten in den Impfzentren Tegel und Arena.« Man wolle dadurch vor allem Menschen zum Impfen bringen, die sich bisher von der Kampagne noch nicht angesprochen fühlen. Für diesen Abend kann man festhalten: Mission erfüllt. Erleichtert ist auch der bekannte DJ Basti Schwarz, besser bekannt unter dem Namen »Tiefschwarz«. Er berichtet von der besonderen Atmosphäre, die man hier geschaffen habe. »Die Leute stehen bei Wind und Wetter in der Schlange wie auf einem Festival«, sagt Schwarz zu »nd«. Man habe mit niedrigen Erwartungen begonnen und sei nun »total begeistert«. Es werde Zeit, »dass wir alle aus diesem Coronatal zusammen rauskommen.«

So kommen an diesem Abend auch Wünsche nach ähnlichen Aktionen auf. »Wir machen das erst einmal mit den drei Langen Nächten und werten das dann aus«, sagt Senatorin Kalayci dazu. »Selbstverständlich ist es freigestellt, solche Angebote auch zukünftig zu organisieren.«

In dieser Woche kann man sich noch am Mittwoch und am Freitag zwischen 20 und 0 Uhr in der Arena Treptow impfen lassen.

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