Den Reichen die Rechnung präsentieren

Das Bündnis »Wer hat, der gibt« hat bundesweit für mehr Umverteilung und soziale Gerechtigkeit demonstriert

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Fahnen von Parteien waren ausdrücklich nicht erwünscht, als sich am Samstag ein Demonstrationszug in Berlin in Bewegung setzte. »Wir glauben nicht mehr, dass Politiker und Politikerinnen für eine radikale Umverteilung sorgen werden. Sie haben uns schon oft enttäuscht«, erklärte ein Sprecher der anarchistischen Gruppe »Perspektive Selbstverwaltung«, die auf der Demonstration mit einem großen Block und einem großen schwarz-roten Transparent vertreten war. Zu den Aktionen hatte das Bündnis »Wer hat, der gibt« aufgerufen. Auch in Braunschweig, Bremen, Dortmund, Erfurt, Freiburg, Göttingen, Hagen, Hamburg, Hannover, Heidelberg, Kiel, Leipzig, Tübingen, Ulm, Witten, Wiesbaden und Würzburg gingen Menschen auf die Straße. Im Aufruf für den bundesweiten Aktionstag hieß es: »Für unsere Gegner*innen ist es ein ›Aufruf zur Plünderei‹ («FAZ») – für die Mehrheit der Gesellschaft pure Notwendigkeit: die Umverteilung des Reichtums vom oberen ein Prozent hin zur Finanzierung gesellschaftlicher Aufgaben und Unterstützung der Hälfte der Bevölkerung, die nichts hat.«

Vertreten waren neben verschiedenen Gewerkschaften auch Bündnisse von Mieter*innen, die globalisierungskritische Organisation Attac und Gruppen der außerparlamentarischen Linken. Die Erkenntnis, dass man eine außerparlamentarische Gegenmacht aufbauen muss, um Druck auf die Politik zu machen, teilten alle im sehr heterogenen Bündnis, das am Samstagnachmittag in Berlin auf die Straße gegangen war. Einen großen Block stellten Mietrebell*innen, die sich unter anderem für einen Erfolg des Volksbegehrens für die Enteignung von Deutsche Wohnen und Co. einsetzen. »Wer hat, der gibt, wer nichts gibt, wird enteignet«, lautete ihre kämpferische Parole. Die Mieter*innenaktivistin Nicole Lindner beschwor in einer engagierten Rede, Solidarität zu üben, um die Räumung weiterer linker und sozialer Projekte in Berlin zu verhindern.

Auch Fahnen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Bildungsgewerkschaft GEW waren auf der Berliner Demonstration zu sehen. Sie startete vor dem Berliner Urban-Krankenhaus, wo ab Montag ein Streik der Beschäftigten für mehr Personal und einen Tarifvertrag für alle beginnen soll. Schon am Freitagabend öffnete vor dem Krankenhaus ein Solidaritätscamp, auf dem darüber diskutiert wurde, wie sich auch Gruppen und Initiativen, die nicht im Krankenhaus arbeiten, mit den Beschäftigten solidarisieren können. Denn es zeichnet sich ab, dass es gesellschaftlichen Druck braucht, um die Forderungen der Beschäftigten durchzusetzen.

Das gilt natürlich auch für die Umverteilungsforderungen insgesamt. Schon moderate Vorschläge für eine stärkere Besteuerung von Vermögen stoßen auf den erbitterten Widerstand von Unternehmensvertretern, eines großen Teils der Medien und vieler Parteien. Mit dem Aktionstag am Samstag sollte deutlich gemacht werden, dass es für eine Umverteilung auch Unterstützung in der Bevölkerung gibt. Bereits am Freitagabend besuchte eine kleine Gruppe das Nobelrestaurant Borchardt in Berlin-Mitte und präsentierte den überraschten Gästen symbolisch die Rechnung.

Das Umverteilungsbündnis hatte sich im Sommer 2020 gegründet, um dagegen zu kämpfen, dass die Lasten der Corona-Pandemie wieder auf die einkommensarmen Teile der Bevölkerung abgewälzt werden. Bei einem ersten Aktionstag im September 2020 gab es Demonstrationen durch Viertel der Reichen in fünf Städten. Es war auch der Versuch von sozialpolitischen Gruppen, wieder in die Offensive zu kommen, nachdem im letzten Jahr über mehrere Wochen die rechtsoffenen Demonstrationen der Corona-Maßnahmengegner*innen die mediale Öffentlichkeit beschäftigt hatten. Im Frühjahr 2021 initiierte das Bündnis »Wer hat, der gibt« eine Petition für eine Umverteilung, die von rund 55 000 Personen unterstützt wurde. Mit dem Aktionstag am Samstag sollte die Umverteilungsforderung knapp einen Monat vor der Bundestagswahl in den Vordergrund gestellt werden. Die Debatte wird weitergehen. Auf der Demonstration des Unteilbar-Bündnisses am 4. September in Berlin wird es einen Umverteilungsblock geben.

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