Spielend durch die Pandemie

Gamingbranche wächst in der Coronakrise rasant, hat aber mit Lieferengpässen zu kämpfen

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist das Symbolbild jeder Gamescom: Lange Schlangen junger Menschen ziehen sich durch die Kölner Messehallen. Teils stundenlanges Anstehen, allein für das Ziel, um zumindest ein paar Minuten ausprobieren zu können, was sich Spieleentwickler wie Electronic Arts, Microsoft und Activision Blizzard an neuen Spielen für PC, Konsole oder das Smartphone ausgedacht haben. Doch aufgrund der Pandemie findet die Games-com ab Mittwoch das zweite Jahre in Folge als reine Internet-Veranstaltung statt. Das Coronavirus hätte es angesichts einer jungen Zielgruppe, die teils aufgrund ihres Alters noch nicht einmal geimpft werden kann, besonders leicht, sich im engen Gedränge einer Publikumsmesse auszubreiten.

Für die Gamescom ist das Ausweichen ins Internet dabei weniger mit einem Verlust an Aufmerksamkeit verbunden als dies im Vergleich dazu für andere Branchentreffen mit einer älteren Zielgruppe der Fall ist. Der Grund: Das Publikum war schon vor Corona daran gewöhnt, sich Veranstaltungen im Internet anzuschauen. Eine Umfrage des Branchenverbands Game belegt dies. Demnach habe sich in den letzten zwölf Monaten jeder Zehnte einen Livestream mit dem Thema Videospiele angesehen. Besonders beliebt ist Streaming bei den 16- bis 24-Jährigen. Hier gaben sogar 28 Prozent an, sich Gaming-Livestreams anzuschauen. Genau darauf setzt dieses Jahr deshalb die Games-com: Anstatt selbst zu spielen, können die Zuschauer*innen anderen dabei zusehen, wie sie Neuheiten ausprobieren. Diese Form des Gamingkonsums mag auf manchen etwas befremdlich wirken, es handelt sich aber längst um einen rasant wachsenden Massenmarkt: Sieben Millionen Menschen haben sich laut Branchenverband im zurückliegenden Jahr einen solchen Livestream angeschaut.

Die Computer- und Videospielehersteller scheinen als große Gewinner aus der Coronakrise hervorzugehen. Zumindest zeichnet die Branche dieses Bild: »Gaming spielt schon länger eine wichtige Rolle in unserem Alltag. Doch die Bedeutung von Video- und Computerspielen ist in diesem Jahr noch mal deutlich gestiegen«, sagt Olaf May, Präsidiumsmitglied beim Branchenverband Bitkom. Er geht sogar so weit und behauptet: »Gaming hilft Jung und Alt durch die Corona-Pandemie.« Zahlen aus einer repräsentativen Befragung hat Bitkom dazu auch parat. Gamer*innen gaben demnach an, dass ihre wöchentliche Spieldauer vor Corona im Durchschnitt fünf Stunden betrug, sich im Pandemieverlauf verdoppelte und dieses Niveau sich auch in Zukunft nur eher geringfügig wieder verringern werde.

Auch die harten Zahlen zeigen, dass das Wachstum der letzten Jahre durch Corona nicht gebremst sondern im Gegenteil sogar zusätzlichen Schub bekommen hat. Der Umsatz mit Computer- und Videospielen und der dazugehörigen Technik legte in Deutschland innerhalb eines Jahres um 2,1 auf 8,7 Milliarden Euro im Jahr 2020 zu.

Spielend kommt allerdings auch die Gamingbranche bei aller Euphorie nicht durch die Coronakrise. Die Folgen der Pandemie sind schon länger vor allem für Hersteller von Spielekonsolen spürbar, allen voran für Sony. Dessen aktuelle Playstation 5 ist seit Monaten oft nirgendwo erhältlich, selbst beim Versandriesen Amazon ist die Konsole aktuell nicht verfügbar und wenn dann doch, sind die gelieferten Geräte in aller Regel innerhalb weniger Stunden ausverkauft.

Ein Grund dafür sind die Auswirkungen von Lockdowns und anderer Maßnahmen im Kampf gegen das Virus entlang der gesamten Lieferkette. Als besonderes Nadelöhr erweist sich die Produktion von Halbleitern und Mikrochips. Bauteile, die nicht nur zentral bei der Herstellung von Spielekonsolen sind, sondern sich neben Computertechnik auch in Autos und allerlei elektronischen Haushaltsgegenständen wiederfinden. Die Produktion ist coronabedingt allerdings nicht nur immer wieder verknappt, sie kommt der wachsenden Nachfrage auch kaum hinterher. Denn nicht nur Spielekonsolen erfreuen sich einer wachsenden Beliebtheit. Auch der Siegeszug des Homeoffice als Mittel der Pandemiebekämpfung ließ die Nachfrage für Computer, Laptops und Smartphones sprunghaft ansteigen. Playstation-Hersteller Sony erklärte Mitte Mai, dass das Unternehmen nicht vor 2022 mit einer Normalisierung seiner Produktion rechnet.

Für Kaufinteressierte führt diese Gemengelage zu einem anhaltenden Geduldsspiel. Der Markt indes reagiert erwartbar: Die letzte Konsolen-Lieferung bei Amazon vor wenigen Tagen blieb zunächst allein Premiumkunden des Versandhändlers vorbehalten. Im Vergleich zu anderen Angeboten war das aber eine fast harmlose Maßnahme. Bei Ebay werden Geräte mit einem Aufschlag von oft mehreren hundert Euro angeboten.

Als besonders ärgerlich erweisen sich sogenannte Scalper. Dabei handelt es sich um Zwischenhändler*innen, die gezielt bei seriösen Anbietern massenhaft Konsolen aufkaufen, um das Angebot einerseits künstlich zu verknappen und die Geräte andererseits mit einem Aufschlag weiterzuverkaufen. Dafür organisieren sich Scalper in Netzwerken, sprechen sich untereinander ab und setzen auch auf den Einsatz von Computerprogrammen, die das Angebot anderer Shops überwachen und zuschlagen, sobald neue Geräte verfügbar sind. Das Nachsehen haben alle Kund*innen, die einfach nur spielen wollen.

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