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Wahl-O-Mat Spitzenpersonal der Berliner Parteien testet Frage-und-Antwort-Tool
»Hey, warte mal«, sagt Franziska Giffey, die Spitzenkandidatin der Berliner SPD für die Abgeordnetenhauswahl am 26. September. Soeben hat sie eine Frage des digitalen Tools »Wahl-O-Mat Berlin 2021« anders beantwortet, als sie das eigentlich wollte. »Ich stimme nicht zu«, sagt die SPD-Politikerin. Doch zurückklicken kann man bei den 38 Thesen nicht, die das Frage-und-Antwort-Tool zu den Parteiprogrammen für die Abgeordnetenhauswahl bereithält. Am Donnerstag wurde das Tool für die Öffentlichkeit freigeschaltet. Das Ergebnis des seit vielen Jahren bei Wahlen beliebten Wahl-O-Mat fällt aufgrund des Ausrutschers für Giffey dann auch »nur« mit 95,8 Prozent für die SPD aus. Auf Platz 2 und 3 folgen bei der SPD-Spitzenkandidatin in der Zustimmungsquote nach Beantwortung der Fragen die kleineren Parteien »Bildet Berlin« und Volt.
Wie Giffey sind an diesem Donnerstag auch Vertreterinnen und Vertreter sowie Spitzenkandidatinnen der anderen im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien - CDU, Linke, Grüne, AfD und FDP - in die Landeszentrale für politische Bildung nach Charlottenburg gekommen, um ebenfalls den Wahl-O-Mat vor Publikum zu benutzen. Während die meisten Parteivertreter hohe Zustimmungsquoten zu ihren eigenen Programmen erzielen, fällt der CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner mit lediglich 78,4 Prozent Zustimmung zum CDU-Programm deutlich aus dem Rahmen. Er habe bei manchen Fragen mit neutral statt ablehnend geantwortet, räumt Wegner auf Nachfrage ein. So beispielsweise auch beim Thema Rückkäufe von Wohnungen. Dazu heißt es im CDU-Programm, dass man zwar den Bestand der landeseigenen Gesellschaften erhöhen will, aber »vor allem durch Neubau«. Wegner räumt aber ein, dass es auch die eine oder andere Stelle geben mag, wo ein Ankauf von Wohnungsbeständen »Sinn machen« kann. Ähnlich sei es bei den Pop-up-Radwegen gewesen. Die will die CDU am liebsten schnell wieder abschaffen, aber Kai Wegner hat von Radfahrerinnen und Radfahrern gehört, dass die in der Pandemie aufgepinselten Radwege manchmal auch sinnvoll sein können.
»Der Wahl-O-Mat ist ein Appetitanreger für Politik«, sagt Pamela Brandt, die seit 2004 Projektleiterin bei der Bundeszentrale für politische Bildung für das digitale Tool ist. Der Wahl-O-Mat selbst, so Brandt, generiere zwar keine Daten. Dennoch lassen sich aus Befragungen, die nach der Nutzung des Tools erhoben wurden, Schlüsse ziehen. So hat 85 Prozent der Befragten beispielsweise die Nutzung »Spaß gemacht«. 70 Prozent der befragten Nutzerinnen und Nutzer erklärten, dass ihnen durch das Frage-und-Antwort-Spiel die Unterschiede zwischen den Parteien deutlicher geworden seien. »Der Wahl-O-Mat schafft eine aktivere Auseinandersetzung zu den Wahlprogrammen«, schlussfolgert daraus Pamela Brandt. So wurde bei der Abgeordnetenhauswahl 2016 das digitale Programm 1,1 Millionen Mal genutzt. Möglicherweise 60 000 Wählerinnen und Wähler sollen durch den Wahl-O-Mat motiviert worden sein, wählen zu gehen. »Wir versprechen uns erneut eine hohe Resonanz«, sagt Thomas Gill, der Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, die bei dem Projekt gemeinsam mit der Bundeszentrale kooperiert.
Die 38 Thesen zu den Parteiprogrammen hat vorher ein Team einer Jugendredaktion erarbeitet. Zu insgesamt 80 Themen wurden Thesen entwickelt, die Parteiprogramme als Grundlage der Debatte hatten die Parteien den jungen Wählerinnen und Wählern zuvor zukommen lassen. Am Ende blieben 38 Aspekte übrig, die der Wahl-O-Mat mit Thesen behandelt. »Da wurde um jedes Wort gefeilscht«, erzählt ein Mitglied des Teams.
Medial überschattet wird der Pressetermin am Donnerstag durch die jüngsten Meinungsumfragen, die erstmals seit Langem die SPD in Berlin vorne sehen und einen Rückgang der Zustimmung zu den Grünen messen. Alle Kameras sind deshalb auf Giffey gerichtet. Die SPD-Kandidatin will sich aber gar nicht zu Umfragen äußern.
»Ich glaube, dass das Rennen völlig offen ist«, sagt der CDU-Kandidat Kai Wegner. Während die Grünen mit Bettina Jarasch die Wahl erneut zu einer Richtungswahl zuspitzen, bei der es um die Frage Stillstand oder Veränderung geht, fällt die aktuell ebenfalls mitregierende Linke bezüglich der medialen Aufmerksamkeit erneut etwas ab. »Wir kommen in den Erzählungen der Medien nicht vor«, kritisiert Anne Helm gegenüber »nd«. Die Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus vertritt am Donnerstag Klaus Lederer, der als Senatsmitglied terminlich eingebunden ist.
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