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Gefangen in der Fremde
Dschihadisten-Witwen uneins über Rückkehr nach Frankreich
Die Zahl der französischen Muslime, die illegal ins Kriegsgebiet im Norden von Syrien und Irak gegangen sind, um sich den Dschihadisten anzuschließen, wird einschließlich der Frauen und Kinder auf 500 bis 1000 geschätzt. Seit dem Ende der Kämpfe will die französische Regierung ihre Rückkehr möglichst abwenden. Offiziell steht man auf dem Standpunkt, dass diese Kämpfer und auch ihre Frauen vor Ort vor Gericht gestellt werden sollten. Nach sehr willkürlich Prozessen im Irak, die meist mit einem Todesurteil endeten, ist man wieder davon abgerückt. Jetzt versucht man das Problem auf die Kurden abzuschieben, auf deren Territorium sich die Gefangenenlager befinden. Die Kurden würden die Gefangenen gern loswerden. Doch Frankreich mauert, mehr als alle anderen EU-Länder. Dabei hat man hier für zurückkehrende Dschihadisten bereits Kapazitäten der Gerichte und Gefängnisse reserviert.
Allerdings stellt sich das Problem nicht im erwarteten Maße, denn die meisten französischen Dschihadisten sind gefallen. Einige sind illegal über die Türkei nach Frankreich zurückgekehrt und haben sich der Justiz gestellt. Andere haben es vorgezogen, im Nahen Osten oder in Afrika unterzutauchen.
Was vom Engagement französischer Muslime für das Kalifat übriggeblieben ist, sind in getrennten Gefangenenlagern etwa 30 Männer und 90 Ehefrauen oder Witwen mit insgesamt 250 Kinder, von denen die meisten jünger als sechs Jahre sind. In den Lagern Al-Hol und Roj in Nordsyrien leben jetzt rund 800 Frauen aus verschiedenen Ländern und ihre Kinder. In den zurückliegenden zwei Jahren ließ Paris insgesamt 35 Kinder unter zwölf Jahren nach Frankreich zurückkommen, aber keine einzige Frau. Bei den meisten der Kinder handelte es sich um Waisen, die in Heime oder Pflegefamilien kamen. Einige wurden den Großeltern anvertraut, nachdem diese durch die Behörden gründlich geprüft worden waren. Doch die meisten der von den Kurden inhaftierten Mütter wollen sich nicht von ihren Kindern trennen und sie allein zurückkehren lassen, auch wenn diese damit der sehr schweren Lagerhaft entkommen könnten.
In den Lagern ist ein Konflikt bis aufs Messer ausgebrochen zwischen französischen Frauen, die inzwischen bereuen, und denen, die nach wie vor auf das Kalifat schwören. Darüber berichtet »Le Monde« mit einer umfangreichen Reportage. Eine von der Journalistin Camille genannte Frau berichtet über das Diktat, dass die Mehrheit der nach wie vor dschihadistischen Frauen über die anderen ausübt. »Wer unverschleiert durchs Lager geht, setzt sich aggressiven Anfeindungen durch die Radikalen aus«, berichtet Camille, die schätzt, dass zu denen neun von zehn der hier inhaftierten Französinnen gehören. Samia, die von den Kurden zur Blockältesten ernannt wurde, geht in Jeans und T-Shirt mit offenen Haaren durchs Lager. »Dafür muss man schon einigen Mut aufbringen«, räumt sie ein. Mehrmals wurde sie sogar bei Nacht überfallen und zusammengeschlagen. Nachdem 2019 eins ihrer vier Kinder schwer erkrankt ist und aus humanitären Gründen nach Frankreich zurückkehren durfte, hat Samia dafür gekämpft und schließlich erreicht, dass auch die anderen drei Kinder ausreisen durften. Alle vier leben jetzt bei Pflegeeltern.
Viele Kinder sind krank oder leiden unter psychischen Folgen des Kriegs. Unterricht gibt es bestenfalls zwei Stunden täglich. Andere Mütter behalten ihre Kinder bei sich, um sie als Faustpfand für die eigene Rückkehr in die Heimat zu benutzen, meint Samia. »Wir haben einen Fehler gemacht, indem wir uns dem Kalifat angeschlossen haben, und dafür müssen wir bezahlen«, sagt sie. »Die Radikalen sehen das nicht ein, und sie wollen ihre Kinder auf keinen Fall dem französischen Staat und den Schulen der ›Ungläubigen‹ ausliefern. Mich und andere Frauen, die wir unsere Kinder zurückkehren lassen, bedrohen sie mit dem Tod.« Im März hat es im Lager Roj einen Hungerstreik von Müttern gegeben, die ihre Rückführung mit den Kindern erzwingen wollten. Sie forderten auch, dass sie in Frankreich in der Haft nicht von ihren Kindern getrennt werden. Die Aktion wurde nach wenigen Tagen erfolglos abgebrochen.
Gespannt erwartet wird ein für Ende September angekündigtes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte; dabei geht es um zwei in Syrien inhaftierte französische Mütter und ihre Kinder. Der Anwalt einer der Familien, Ludovic Rivière, erhofft sich eine »Lösung« der blockierten Situation. Die habe man seitens der Regierung mit Blick auf die ablehnende Haltung der Bevölkerungsmehrheit festfahren lassen.
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