»Straßen voller roter Fahnen«

In Nordrhein-Westfalen hält der Widerstand gegen die geplante Verschärfung des Versammlungsgesetzes an

In der Nacht von Freitag auf Samstag um halb drei hatte das Bündnis gegen das Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen Gewissheit. Eine harsche Auflage der Polizei, die es verbieten sollte, Transparente zu tragen, die mehr als einen Meter hoch sind, wurde vom Oberverwaltungsgericht kassiert. Sie sollte nur noch für den Antifa-Block bei der samstäglichen Demonstration gelten. Ein Teilerfolg für das Bündnis. Aber die Ungewissheit blieb, wie die Polizei mit dem Protest umgehen würde. Ende Juni war eine Demonstration gegen das Versammlungsgesetz von der Polizei zerschlagen worden. Hunderte Demonstrant*innen wurden über Stunden von der Polizei festgehalten. Ein ähnliches Szenario galt auch an diesem Samstag nicht als unwahrscheinlich. Und wer sich dem Auftakt der Demonstration an den Düsseldorfer Rheinterrassen näherte, der wurde in diesen Befürchtungen erstmal bestätigt. Das Polizeiaufgebot war groß. Spezielle Festnahmeeinheiten waren sogar aus Hessen nach Nordrhein-Westfalen beordert worden.

Bei der Auftaktkundgebung wurde sich dann breit mit dem Antifa-Block solidarisiert. Der Ruf »Wir sind alle Antifa« war von der Bühne zu hören. Er wurde von den Teilnehmer*innen lautstark erwidert. Die Anwältin Anna Busl sprach bei der Kundgebung über Gesetzesverschärfungen wie das Versammlungsgesetz. Sie seien Instrumente, mit denen die herrschende Politik »missliebigen Protest« unterdrücken wolle. Wer gegen Umweltzerstörung, Waffenexporte, Krieg und die kapitalistische Normalität auf die Straße gehe, sei unerwünscht. Busl forderte »Straßen voller roter Fahnen«, damit sich die Verhältnisse verändern. Als die Demonstration dann losging, stieg die Spannung noch einmal. Wie würde die Polizei darauf reagieren, dass der Antifa-Block mit großen Transparenten läuft. Sie reagierte mit einem engen Spalier, ließ den Block aber laufen. Und so konnten 5000 Menschen ohne Störungen losziehen.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Eine von ihnen war Kathrin Henneberger, Bundestagskandidatin der Grünen und ehemalige Sprecherin des Klimabündnisses Ende Gelände. Als solche kennt sie sich mit zivilem Ungehorsam aus und weiß, was das neue Versammlungsgesetz bedeutet. Es sei ein Versuch, »die lebendige Zivilgesellschaft mit Schikanen wie beispielsweise dem Verbieten von weißen Schutzanzügen oder namentliche Anmeldung von Demoordner*innen auszubremsen«. Legitimer Protest werde »immer weiter kriminalisiert und Menschen eingeschüchtert«, so Henneberger. Sie hält das für falsch. Denn Demokratie lebe von einer Zivilgesellschaft, die »antreibt und Fortschritt einfordert«. Wenn der Zivilgesellschaft die Möglichkeit genommen würde, sich zu artikulieren, dann sei »die letzte Hoffnung dahin, die Klimakrise noch aufzuhalten«.

Andere Demoteilnehmer*innen kritisierten vor allem, dass der Protest gegen Rechts durch das neue Versammlungsgesetz erschwert wird. Selbst Trainings für Blockaden sollen unter Strafe gestellt werden. Gabriele Schmidt, Landesleiterin von Verdi in Nordrhein-Westfalen kritisierte, der Gesetzesentwurf ziele auf »Einschüchterung von Versammlungsteilnehmenden und damit der Verhinderung der Versammlungsfreiheit, aber nicht ihrem Schutz« ab. Diesmal blieb es bei der Demonstration ruhig. Auf zwei Rauchtöpfe, die von Demonstrant*innen gezündet wurden, reagierte die Polizei nur mit Lautsprecherdurchsagen. In der kommenden Woche im Landtag über den weiteren Gesetzgebungsprozess beraten. Das Bündnis gegen das Gesetz hat weitere Proteste angekündigt.

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