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USA beenden »längsten Krieg« ihrer Geschichte
Taliban beglückwünschen Afghanen zu ihrem »Sieg«
Kabul. Kurz vor Mitternacht war der »längste Krieg« der US-Geschichte vorbei: Die USA haben ihren Truppenabzug aus Afghanistan abgeschlossen und damit ihren Militäreinsatz am Hindukusch nach 20 Jahren beendet. Eine letzte US-Militärmaschine hob in der Nacht zum Dienstag afghanischer Zeit vom Flughafen der Hauptstadt Kabul ab, wie die US-Streitkräfte mitteilten. Dort feierten die radikalislamischen Taliban den US-Abzug: Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid beglückwünschte die Afghanen zu ihrem »Sieg«.
»Glückwunsch an Afghanistan, dieser Sieg gehört uns allen«, sagte Mudschahid, der auf der Landebahn des Kabuler Flughafens stand, am Dienstagmorgen. Nach dem Abzug der US-Truppen wollen die Taliban seinen Angaben zufolge »gute« Beziehungen mit den USA. »Wir begrüßen gute diplomatische Beziehungen mit allen«, betonte Mudschahid.
US-Präsident Joe Biden dankte seinen Militärkommandeuren und den beteiligten Soldaten für den Einsatz. Sie hätten den »gefährlichen« Abzug »ohne weiteren Verlust amerikanischer Leben« zu Ende gebracht, erklärte Biden am Montag (Ortszeit). Der Präsident würdigte auch die Evakuierungsmission: Die Soldaten hätten bei der »größten Luftbrücke der US-Geschichte« mit »Mut, Professionalität und Entschlossenheit« gehandelt.
Die letzte US-Militärmaschine vom Typ C-17 hob genau eine Minute vor Mitternacht afghanischer Zeit ab. »Ich bin hier, um den Abschluss unseres Abzugs aus Afghanistan und das Ende der Militärmission zur Evakuierung von US-Bürgern, Staatsbürgern von Drittstaaten und gefährdeten Afghanen bekanntzugeben«, sagte der Chef des Zentralkommandos der US-Streitkräfte, General Kenneth McKenzie.
Auf Nachfrage bestätigte McKenzie, dass sich damit kein US-Soldat mehr in Afghanistan befindet. An Bord der letzten Maschine war unter anderem der geschäftsführende US-Botschafter in Afghanistan, Ross Wilson.
Ihre diplomatische Präsenz am Hindukusch setzten die USA bis auf Weiteres aus, die Botschaft wurde von Kabul nach Doha verlegt. Washington eröffne ein »neues« Kapitel bezüglich Afghanistan, erklärte US-Außenminister Antony Blinken. Diese »neue diplomatische Mission« werde von einem »neuen Team« unter der Leitung von Ian McCary geführt, der bisher die Nummer zwei in der Botschaft in Kabul war.
Bei ihrem Abzug machten die US-Truppen zahlreiche Flugzeuge und gepanzerte Fahrzeuge sowie das Raketenabwehrsystem auf dem Flughafen von Kabul funktionsunfähig, damit diese nicht in die Hände der Taliban oder anderer islamistischer Gruppen fallen. 27 Humvees und 70 gepanzerte MRAP-Fahrzeuge seien unbrauchbar gemacht worden, sagte McKenzie.
»Wir haben uns dafür entschieden, diese Systeme bis zur letzten Minute in Betrieb zu halten, bevor das letzte US-Flugzeug abflog«, erläuterte McKenzie. »Es ist ein komplexes und zeitintensives Verfahren, diese Systeme abzubauen. Also entmilitarisieren wir sie, damit sie nie wieder benutzt werden.«
Der Abzug der letzten Truppen markiert das Ende des 20-jährigen Militäreinsatzes der USA in Afghanistan. Bei den Taliban, die vor etwas über zwei Wochen die Macht übernommen hatten, löste der Abzug Jubel aus. In Kabul wurden Freudenschüsse abgegeben.
Die USA und ihre Nato-Partner waren nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Afghanistan einmarschiert. In kurzer Zeit vertrieb das westliche Militärbündnis die damals herrschenden Taliban, die dem Terrornetzwerk Al-Kaida Unterschlupf gewährt hatten, von der Macht. Zur Ruhe kam Afghanistan aber nie, der blutige Konflikt zog sich über knapp zwei Jahrzehnte und gilt als »längster Krieg« in der US-Geschichte.
Inmitten der geplanten US-Truppenreduzierung überrannten die Taliban das Land und übernahmen am Wochenende vom 14. August mit ihrem Einmarsch in Kabul die Macht. Es folgte ein dramatischer Evakuierungseinsatz am Kabuler Flughafen, um westliche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte außer Landes zu bringen. AFP/nd
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