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Nicht nur ein paar Cent mehr
Die Beschäftigten der Servicetochter des Klinikums Nürnberg kämpften sich in den TVöD zurück
Pflegekräfte in Krankenhäusern ernteten im Laufe der Pandemie viel Aufmerksamkeit. Auch Ärzte berichteten aktuell vor allem von Intensivstationen. Aber es sind noch weitere Berufsgruppen unverzichtbar dafür, dass ein Krankenhaus funktioniert. Nur erhalten sie meist weniger Beachtung. Häufig zusammengefasst als der »Service«, sind es die Transportarbeiter, die Reinigungs- und Küchenkräfte und die Beschäftigten in der Sterilisation, die für keimfreie OP-Instrumente sorgen. Dabei sind ihre Arbeitsbedingungen in der Regel noch schlechter als die ihrer Kollegen am Krankenbett. Einer der Gründe: Diese Betriebsteile wurden häufig unter Kostendruck aus den Kliniken ausgegliedert. So geschah es Ende der 90er Jahre auch in Nürnberg. Das dortige Krankenhaus, eines der größten kommunalen Europas, gründete seine Klinikum-Nürnberg-Service GmbH (KNSG) als hundertprozentige Tochter.
Was den Beschäftigten dort aber immer wieder bitter aufstieß: Es gab und gibt etwa ein Fünftel der insgesamt in den Bereichen Tätigen, die noch beim Klinikum selbst angestellt waren. Diese Kolleginnen und Kollegen verrichten die gleichen Arbeiten, bringen aber bis zu 1000 Euro im Monat mehr nach Hause, weil sie nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bezahlt werden. »Hier arbeiten mehrheitlich Frauen, viele Alleinerziehende, viele mit Migrationshintergrund«, berichtet Verdi-Gewerkschaftssekretärin Joana Terborg. »Nicht wenige sind zusätzlich auf staatliche Transferleistungen angewiesen.« Kolleginnen berichteten von Kinderfragen wie die nach noch nicht gekauften Winterjacken oder -schuhen, nach dem schon lange gewünschten Fahrrad. Die Forderung nach besserer Entlohnung und besseren Bedingungen werden noch verständlicher, wenn man weiß, dass die Mieten in Nürnberg schneller steigen als etwa in München. In der fränkischen Großstadt zahlt fast die Hälfte aller Haushalte mehr Miete, als es das Gehalt eigentlich zulässt, nämlich über 30 Prozent des Jahreseinkommens, wie die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung herausfand.
Zwar existiert für bayerische Krankenhaus-Servicetöchter ein eigener Tarifvertrag – bei dessen Neuverhandlung aber mussten sich die Betroffenen mit Entgelterhöhungen im Centbereich zufriedengeben. Das wollten die Nürnberger sich nicht länger gefallen lassen: Sie fanden ebenso wenig in Ordnung, wie wenig Anerkennung es für ihre Arbeit unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie gab: Schutzkleidung in vielen Bereichen, bei eigener Infektion in kleinen Wohnungen unter Quarantäne, immer mit der Angst, die eigene Familie anzustecken.
»Wir sind keine Menschen zweiter Klasse! Wir sind keine Angestellten zweiter Klasse!«, erklärte etwa Milan Ognjanovic, Fahrer eines Krankentransporters, auf einer Kundgebung im letzten Dezember unter großem Beifall. Wie er hatten sich auch an den Streiktagen im Mai die Kolleginnen von der Reinigung zu Wort gemeldet, berichteten von Preissteigerungen bei Lebensmitteln oder von der Ansage aus dem Management, statt mehr Lohn zu fordern, könnten sie doch zu dem Supermarkt gehen, wo der Stundenlohn höher sei. Dabei war die Vergütung seit Jahren kaum gestiegen, ein Plus beim Stundenlohn von insgesamt zwei Euro über mehr als 15 Jahre wurde errechnet. Das trifft die vielen Teilzeitkräfte noch härter, zumal Vollzeitverträge meist verweigert werden.
Ein anderer Faktor, der den positiven Ausgang der Arbeitskämpfe bei der Servicetochter begünstigte: Das Agieren des Bürgermeisters Marcus König (CSU) und seines Finanzreferenten Harald Riedel (SPD). Beide hatten lange versucht, eine Rückkehr der Beschäftigten unter das TVöD-Dach als unmöglich, weil schlicht nicht finanzierbar darzustellen. Dummerweise hatte König bei einem öffentlichen Auftritt im Kommunalwahlkampf Kollegen von der Servicetochter die besseren Bedingungen quasi schon versprochen. Dass er später darauf festgenagelt würde, damit hatte er nicht gerechnet.
Geholfen hat auch, dass es Servicemitarbeitern in Ingolstadt schon gelungen war, in den TVöD zurückzukehren. Das bewirkte dort unter anderem, dass Betroffene ihren Zweitjob endlich kündigen konnten. Insofern meint Verdi-Frau Terborg, dass auch die Servicebeschäftigten von Charité und Vivantes in Berlin aus den bayerischen Erfahrungen Mut schöpfen sollten.
Für die Einigung auf eine Rückkehr in den TVöD waren eine ganze Reihe von Arbeitskampfmaßnahmen nötig: von betrieblichen Aktionen über Kundgebungen bis hin zu drei Tagen Warnstreik im Mai – mit starker Beteiligung. Solidarisch zeigten sich die gewerkschaftlich Organisierten des Klinikums, darunter jene, die ebenfalls in den Servicebereichen tätig sind. Alles organisiert unter Pandemiebedingungen, teils unter freiem Himmel, teils online. Zugenommen hat auch der Organisationsgrad, etwa 200 neue Mitglieder schlossen sich Verdi an, berichtet Gewerkschaftssekretärin Terborg.
Erreicht haben die KNSG-Beschäftigten bei den Verhandlungen, die Ende Juli abgeschlossen wurden, neben der Rückkehr in den TVöD ab 2024 auch gute Übergangsregelungen. Der Einstiegslohn in der niedrigsten Gehaltsgruppe liegt nunmehr bei 12 Euro und wird rückwirkend ab dem 1. Januar 2021 gezahlt, hinzu kommen zusätzliche Einmalbeträge 2022 und 2023. Aufgepasst werden muss weiterhin: In den nächsten zwei Jahren wird es um die Einstufungen in die Lohngruppen gehen, je nach Länge der Betriebszugehörigkeit. Noch nicht zufrieden ist Terborg auch mit den weiter bestehenden Befristungen: Auch über diesen Weg könnten Arbeitgeber versuchen, viel Geld zu sparen.
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