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Afghanistan mahnt

Es gibt viele Wege hin zu einer besseren Welt. Militärisch ist keiner davon, meint Michael Schulze von Glaßer

  • Michael Schulze von Glaßer
  • Lesedauer: 4 Min.

»Nichts ist gut in Afghanistan« – für diesen Satz in ihrer Neujahrspredigt 2010 musste die damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, viel Kritik einstecken. Heute können selbst die Befürworter*innen des Afghanistan-Einsatzes nicht mehr leugnen, was schon damals Tatsache war. Auch 20 Jahre militärischer Besatzung konnten keine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen in dem Land erwirken und auch militärisch wurde Afghanistan verloren. Zwischen 2001 und 2021 haben knapp 50 000 Zivilist*innen aufgrund des Konflikts ihr Leben gelassen.

Es schmerzt, aber muss dennoch – gerade vor der richtungsweisenden Bundestagswahl – lauter denn je gerufen werden: »Der Afghanistan-Einsatz war von Beginn an falsch!« Dabei hat der Einsatz beide Ziele, die westliche Politiker*innen mit ihm verfolgten, nicht erfüllen können. Die Intervention war Folge des erstmals in der Geschichte ausgerufenen Nato-Bündnisfalls. Zwar hatten die in Afghanistan herrschenden Taliban die Anschläge nicht verübt, aber sie hatten der Täterorganisation Al-Qaida Unterschlupf gewährt. Afghanistan war schnell erobert (wenn auch nie vollständig kontrolliert), die Gefahr von Terroranschlägen in den Nato-Staaten aber wuchs: London, Madrid, Nizza, Paris, Berlin … Islamisten verübten grausame Anschläge auf Zivilist*innen und begründeten diese auch mit den Militärinterventionen des Westens in islamisch geprägten Staaten.

Das zweite von Befürworter*innen des Einsatzes hervorgebrachte Motiv war altruistisch: Man wollte den Menschen am Hindukusch helfen, Brunnen bohren, Schulen bauen und den Frauen mehr Selbstbestimmung bringen. Dies geschah nur unzureichend. Geld floss ins Militär, nicht in die Zivilgesellschaft und aktuell zeigt sich mehr als deutlich, wie egal die Afghan*innen dem Westen sind und es schon immer waren. Doch welche Konsequenzen wird die regierende Politik – und die zukünftige Bundesregierung – aus dem Scheitern in Afghanistan ziehen? Und welche sollte sie ziehen?

Zunächst gilt es anzuerkennen, dass die militärische Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung seit Beginn der 2000er-Jahre gescheitert ist. 20 Jahre Afghanistan-Einsatz mit allein bei der Bundeswehr über 50 toten Soldat*innen und Kosten von mehr als 12,5 Milliarden Euro haben letztlich nichts gebracht. Dann gilt es über Alternativen nachzudenken. Schon in der nächsten Legislatur könnten drei grundlegende Änderungen in die Wege geleitet werden:

Deutschland ist der viertgrößte Waffenexporteur der Welt – bis 2006 wurden etwa 10 000 Pistolen an die afghanischen Sicherheitskräfte geliefert, die nun den Taliban in die Hände gefallen sind. Die Exporte von Waffen müssen eingestellt werden.

Das Militär muss abgerüstet werden, um Gelder freizumachen für die Aufrüstung ziviler Friedensdienste und zur Unterstützung zivilgesellschaftlicher Projekte zur Förderung von Gleichheit und Selbstbestimmung. Zudem könnte es eine internationale Katastrophenhilfe geben, die weltweit etwa gegen die Folgen des Klimawandels tätig werden könnte (am Rande sei erwähnt, dass die Bundeswehr heute 109-mal mehr Geld aus dem Bundeshaushalt bekommt als das Technische Hilfswerk).

Internationale Verträge zur Abrüstung müssen unterzeichnet und vertreten werden. Beispielsweise liegt der im Januar in Kraft getretene UN-Atomwaffenverbotsvertrag zur Unterzeichnung auf dem Tisch der Bundesregierung. Zudem könnte sich eine neue Regierung für neue, weitreichendere Abrüstungsverträge einsetzen, die auch die Produktion und den Verkauf konventioneller Waffen einschränkt. Eine Außenpolitik mit Haltung wäre dafür nötig.

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Die aktuelle Bundesregierung vermeidet jede Debatte über »Sicherheitspolitik«. Dabei zeigt nicht nur Afghanistan, wie notwendig sie wäre. Auch auf die weltweite Corona-Pandemie und den Klimawandel hat »Militär« keine Antworten. Vielmehr ist es Teil des Problems: Jeder Euro, Dollar, Rubel oder Yuán, der ins Militär fließt, fehlt bei der Bekämpfung dieser tatsächlichen Bedrohung der Menschen. Armut und mangelnde Bildung sind weitere Bedrohungen und Konfliktursachen – auch hier muss Investieren, wer Frieden will. Es gibt viele Wege hin zu einer besseren Welt. Militärisch ist keiner davon. Eine neue – zivile und gewaltfreie – Außen- und Sicherheitspolitik ist alternativlos.

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