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Sorgenvoller Ausblick
Erbpacht auf Basis von Marktpreisen wäre Ende des Projekts Haus der Statistik
»Der Bodenrichtwert am Alexanderplatz liegt ungefähr bei 14 000 Euro pro Quadratmeter«, sagt Konrad Braun. »Bei der Umrechnung kämen wir auf Erbbauzinsen von 15 bis 18 Euro pro Quadratmeter Gebäudefläche«, berichtet Braun. Er ist Vorstand der Genossenschaft Zusammenkunft Berlin und Mitglied der Initiative Haus der Statistik, die auf dem prominenten Ensemble am Alexanderplatz ein Fünftel der 120 000 Quadratmeter Gebäudefläche im Bestand und in geplanten Neubauten für gemeinwohlorientierte Nutzungen entwickeln will. »Allesamt Institutionen, die keine 20 Euro nettokalt pro Quadratmeter bezahlen können«, sagt Braun.
»Es muss im Rahmen des Haushaltsrechts ein Weg gefunden werden, wie Erbbauzinsen abseits des Bodenwerts ermittelt werden«, fordert der Initiativenvertreter. Er verweist auf das Beispiel der alten Samtweberei in Krefeld, wo auf den Erbbauzins ganz verzichtet wird, solange es sich um gemeinnützige Nutzungen handelt. Ein gangbarer Weg wäre für ihn die Berechnung des Erbbauzinses nach dem sogenannten Residualwertverfahren. Dabei wird von einer festgelegten Zielmiete von beispielsweise 6,50 Euro nettokalt pro Quadratmeter für die zu bauenden Sozialwohnungen zurückgerechnet, wie hoch die Erbbauzinsen ausfallen können. Angewandt wird so ein Modell beispielsweise in München, wo die Bodenwerte schon seit Längerem derart hoch sind, dass nach klassischen kaufmännischen Verfahren nur sehr hohe Mieten herauskommen würden. Der Vorteil an den bis zu 99 Jahre laufenden Erbbaurechtsverträgen ist, dass leistbare Mieten über die gesamte Laufzeit garantiert werden können. Im klassischen geförderten Wohnungsbau läuft eine entsprechende Bindung nach maximal 30 Jahren aus.
Das online abgehaltene Hearing des Initiativenforums Stadtpolitik am Mittwochabend thematisiert die Bodenfrage breiter als nur am Beispiel des Hauses der Statistik. »Aufbauen statt draufzahlen - Bodenwerte in Berlin sozial gestalten?« lautet der Titel.
»Deutschland ist ein internationales Steuerparadies beim Boden«, beklagt Ulrich Kriese, der hauptberuflich für die Schweizer Stiftung Edith Maryon arbeitet. Dass die Bodenrendite hierzulande kaum abgeschöpft werde, locke Kapital aus aller Welt an, was den Preisen zusätzlichen Schub gibt. Der Stiftung gehören in Berlin allein 20 Liegenschaften, die per Erbbaurecht an die Nutzer verpachtet sind. Prominentestes Beispiel ist das ExRotaprint-Gelände in Gesundbrunnen, auch ein ehemals besetztes Haus in der Rigaer Straße 78 in Friedrichshain gehört ihr. Kriese macht darauf aufmerksam, dass das Erbbaurecht alleine noch keine Garantie sei, »dass nicht der Mieter oder Erbbaurechtsnehmer zum Spekulanten« werde. »Wir als Stiftung machen die Verträge so, dass beide Seiten nicht spekulativ handeln können«, so Kriese.
»Nur weil ich einen konkreten Nutzer habe, kann ich den Bodenwert nicht einfach herunterrechnen«, sagt Wohn-Staatssekretärin Wenke Christoph (Linke). Es müsse bei der öffentlichen Hand »allgemeine Regeln für jedermann« geben. Auch für sie ist klar, dass Berlin sich wegbewegen müsse »von der Marktüblichkeit der Erbbauzinsen«. Allerdings sei die SPD-geführte Finanzverwaltung in dieser Frage »handlungsleitend«.
»Unsere Probleme entstehen nicht in allererster Linie dadurch, dass wir nicht flexibel genug beim Erbbaurecht sind, sondern dass wir es nicht schaffen, kostendeckend zu finanzieren«, sagt Grünen-Haushaltspolitiker Daniel Wesener. Sein Amtskollege Steffen Zillich (Linke) erteilt den angesichts massiver Liegenschaftsverkäufe von Berliner Landesregierungen in den Sparjahrzehnten geäußerten Wünschen, den Boden dem Zugriff der Parlamente zu entziehen, eine Absage. »Es gibt in demokratischen Gesellschaften keine Versicherung vor politischem Unsinn«, sagt er. Die Einführung des Residualwertverfahrens beim Erbbaurecht sei die »Hauptaufgabe der nächsten Koalition«, da ist er sich mit Wesener einig. Allerdings weist Zillich darauf hin, dass nicht nur die Finanzverwaltung, sondern auch die Grün geführte Wirtschaftsverwaltung derzeit der Auffassung sind, dass dies »beihilferechtlich nicht zulässig« sei.
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