Mieter machen Druck

Zahlreiche Initiativen wollen in Berlin gegen zu hohe Mieten demonstrieren

  • Yannic Walter
  • Lesedauer: 4 Min.

Es wäre ein deutliches Signal für die anstehenden Wahlen, wenn am Wochenende an die Zahlen aus dem Frühjahr 2019 angeknüpft wird. Damals gingen laut dem deutschlandweiten Aktionsbündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn 35.000 Menschen gegen zu hohe Mieten in Berlin auf die Straße. Diesen Samstag könnten es ähnlich viele werden, so die Hoffnung der Organisatoren. Von 10.000 Teilnehmern gehen sie mindestens aus. Gewerkschaften, Sozial- und Wohlfahrtsverbände sowie Initiativen aus dem gesamten Bundesgebiet wollen sich der Demonstration anschließen, um »einen radikalen Kurswechsel in der Mieten- und Wohnungspolitik von der zukünftigen Bundesregierung einzufordern«, wie es in einem Aufruf heißt.

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»Bei Berlin ist das Besondere, dass Verdrängung im Zeitraffer stattfindet und die Berliner schnell Gegenwehr leisten müssen, wenn sie nicht Verhältnisse wie in Paris haben wollen«, sagt Bündnissprecher Karlheinz Paskuda. »Aber das Wohnungsproblem ist ein bundesweites. Auch bei mir in Mannheim gibt es zu wenig preiswerten Wohnraum«, so Paskuda weiter. Deshalb ruft das Aktionsbündnis zusammen mit der Mietenstopp-Kampagne und der Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen erneut zur Demo auf.

Eine der Forderungen des Zusammenschlusses ist ein bundesweiter Mietendeckel. Die Idee einer Öffnungsklausel, die es den einzelnen Ländern erlauben würde, so eine Regelung ohne den Bund zu erlassen, hält Paskuda für »wenig sinnvoll«. Berlin versucht, so eine Klausel gerade mit einer Bundesratsinitiative zu erreichen. Aber: »In NRW würde die Landesregierung dann trotzdem für Köln beispielsweise keinen Deckel einführen«, glaubt Paskuda.

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Auch die an der Demonstration beteiligte bundesweite Mietenstopp-Kampagne setzt sich für ein Einfrieren der Mieten ein. Sechs Jahre lang soll es keine Mieterhöhungen geben. Zeit, in der unter anderem bezahlbarer Neubau und eine Reform der Bodenpreise den Markt entspannen sollen. Entstanden ist die Kampagne vor einem halben Jahr als Reaktion auf die erfolglosen Versuche, die Mieten in Bayern und Berlin zu deckeln. »Beide Versuche sind an der fehlenden Zuständigkeit der Länder gescheitert, deshalb wollen wir einen Mietenstopp im Bund erreichen«, sagt Matthias Weinzierl, einer der Sprecher der Kampagne. Außerdem fordert das Bündnis die Enteignung großer Wohnungsunternehmen. Karlheinz Paskuda hofft hier auf den Volksentscheid, über den in Berlin am 26. September abgestimmt wird: »Nur, wenn die Abstimmung positiv ist, haben wir die Chance, auch bundesweit eine Enteignung zu fordern.« Rouzbeh Taheri, Sprecher von Deutsche Wohnen und Co enteignen, macht ihm Hoffnung. »Wir haben noch ein paar Pfeile im Köcher für die letzten Wochen und Tage.« Doch selbst wenn es an der Wahlurne eine Mehrheit für die Vergesellschaftung geben sollte, wird damit nicht Schluss sein. So brauche es auch im Erfolgsfall den Druck auf der Straße, um angesichts der Widerstände aus der Politik die Enteignung von privaten Immobilienunternehmen in der Hauptstadt mit jeweils mehr als 3000 Wohnungen in Berlin durchzusetzen, sagt Taheri.

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Die Spitzenkandidatin der Berliner SPD, Franziska Giffey, hatte sich zuletzt von den derzeitigen Koalitionspartnern Linke und Grüne distanziert, indem sie beim Thema Enteignungen eine »rote Linie« gezogen hatte. »Wer ein positives Abstimmungsergebnis ignoriert, missachtet den Willen der Bevölkerung«, so Rouzbeh Taheri. »Das lässt Zweifel aufkommen an der Qualifikation, hier Regierende Bürgermeisterin zu werden.«

Der Demonstrationstermin am 11. September fällt auf den bundesweiten Tag der Wohnungslosen, auch die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) will sich an der Demo beteiligen. »15 Prozent der Wohnungslosen gehen einer Beschäftigung nach und können sich dennoch keine Wohnung leisten. Diese Zahl hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre verdoppelt«, sagt Sabine Bösing, stellvertretende Geschäftsführerin der BAG W. Mit negativen Schufa-Einträgen sei es zum Beispiel nahezu unmöglich, eine Wohnung zu finden, so Bösing. Ihre Forderung: bezahlbarer Wohnraum für alle.

Die Mietendemo beginnt am Samstag um 13 Uhr auf dem Alexanderplatz. Entlang der Straße Unter den Linden geht es über das Brandenburger Tor bis zum Großen Stern, wo ab 15 Uhr eine Abschlusskundgebung geplant ist. Die Organisatoren bitten alle Personen mit Erkältungssymptomen, zu Hause zu bleiben.

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