Eine Richtungswahl zur Riester-Rente
Die Parteien und die Private Altersvorsorge
Finanzminister und Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) weilte kürzlich zum Liveinterview in der Redaktion des »Business Insider«. Scholz sei ganz er selbst, lobt das Internet-Wirtschaftsmagazin. Sein Anlagetipp sei dafür exemplarisch. »Den scheinbaren Widerspruch, dass er selbst nicht in Aktien investiert, dies jungen Leuten zur Altersvorsorge aber empfiehlt, löst er souverän auf.« Er wolle eben nicht den geringsten Anschein von Interessenkonflikten aufkommen lassen. »Ich würde den Leuten raten, neben gesetzlicher oder betrieblicher Rente in Aktien zu investieren«, sagte der Minister an die Adresse der jungen Leute mit Blick auf die eigene Altersvorsorge.
Damit liegt der Politiker auf Kurs mit anderen Parteien, die alle eine Neuorganisation der privaten Rente fordern. Lediglich die Linken wollen die geförderte private Vorsorge abschaffen und fordert stattdessen eine höhere gesetzliche Rente. Bei SPD, CDU, FDP und Grünen gibt es im Detail unterschiedliche, aber im Ziel ähnliche Vorstellungen einer Neuorganisation der privaten Altersvorsorge. Diese haben große Schnittmengen mit dem Konzept der »Extrarente«, die der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) seit Monaten propagiert.
Extra Rente mit der Extrarente?
Die Extrarente des vzbv soll über die öffentliche Hand und durch Ausschreibungen statt über gewinnorientierte Unternehmen organisiert werden. »So sinken die Kosten für die Verwaltung massiv, Kosten für den Vertrieb entfallen ganz«, sagte Vorstand Klaus Müller. Allein durch die geringeren Kosten fällt die spätere Rente deutlich höher aus als bei den heute üblichen Angeboten von Allianz, Generali und Co.
So weit, so einleuchtend, auch wenn der dadurch gewonnene »Mehrwert« letztlich überschaubar bleiben dürfte. Nun kommt der wirkliche Haken: Die Extrarente legt vor allem in Aktien an. Damit werde sie dann langfristig eine höhere Rendite erzielen als viele private Vorsorgeverträge, verspricht Müller.
Sehen wir einmal davon ab, dass auch heute viele Altersvorsorgeverträge in Aktien und in andere mehr oder weniger spekulative Wertpapiere das Geld ihrer Sparer anlegen. Auch die betriebliche Altersvorsorge, sogar von Gewerkschaften mitorganisiert, tut dies. Und für höhere Einkommensklassen mag dies als ein Teil der langfristigen Sparanlagen zweckmäßig sein.
Grundsätzlich sind Geldanlagen in Aktien aber riskant - schon daher verbietet sich eine einfache Umstellung der privaten Altersvorsorge auf Aktien. Zwar ist der Deutsche Aktienindex (DAX), der die Kursentwicklung der 30 größten Aktiengesellschaften misst, seit Ende der 1980er Jahre von 1000 auf über 15 000 Punkte geklettert. Doch dazwischen liegen viele Aufs und Abs. Außerdem bietet der »Blick zurück« keinerlei Garantie, dass auch in Zukunft die Kurse steigen werden. Nach einem Finanzkrach droht zukünftigen Rentnergenerationen statt mehr Rente ein zusätzliches Rentenloch.
Wer stopft das Loch ?
Es ist nicht Aufgabe des nd-Ratgebers, Wahlempfehlungen auszusprechen. Doch sollte man wissen, was die Pläne der Parteien für ihre Rente bedeuten können. Das eigentliche Problem - eine Ausnahme machen auch hier die Linke und Teile der SPD - blenden fast alle Politiker aus: Die zu niedrige gesetzliche Rente! Dass es für das Stopfen des Rentenlochs keine einfachen Lösungen gibt, zeigt ein Blick in die Statistik. 2020 belief sich der Zuschuss zur Rentenversicherung aus dem Bundeshaushalt auf mehr als 100 Milliarden Euro, mehr als ein Viertel des gesamten Haushaltes.
Noch bis 2025 gilt wenigstens die Haltelinie, nach der das Netto-Standardrentenniveau vor Steuern nicht unter 48 Prozent des früheren Einkommens sinken darf. Die von fast allen Parteien propagierte Ausweitung der privaten kapitalgedeckten Vorsorge könnte, wenn überhaupt, erst sehr langfristig helfen, erhöht dafür aber kurzfristig den Finanzierungsbedarf zusätzlich.
Nun kann auch die 2002 von der rot-grünen Bundesregierung Gerhard Schröders eingeführte Riester-Rente dieses Loch nicht stopfen. Und angesichts der vergleichsweise kleinen Beträge hatten Verbraucherschützer von Anfang an gewarnt, dass die Verwaltungskosten einen Großteil der Renditen schlucken würden. So kam es auch.
Doch der Mix aus kleinen Beiträgen und hohen staatlichen Zuschüssen macht die Riester-Rente für Menschen mit geringem Einkommen und Familien weiterhin attraktiv.
Einer Familie mit zwei (vor 2008 geborenen) Kindern stehen 720 Euro direkte staatliche Förderung zu. Sind die Kinder ab 2008 geboren, liegt der Anspruch bei 950 Euro. Durch die Zulagen reduziert sich der Sparbeitrag - der sogenannte Mindesteigenbeitrag -, der aus eigenen Mitteln aufgewendet werden muss, allerdings erheblich. Wird der maximal förderfähige Betrag in Höhe von 2100 Euro gespart, entspricht das 950 Euro oder rund 45 Prozent.
Grundsätzlich muss lediglich ein Sockelbetrag in Höhe von 60 Euro selbst gespart werden. Für viele Geringverdiener ist die Riester-Rente daher interessant. Aufgrund des geringen Einkommens ist der Mindesteigenbeitrag (60 Euro) niedrig, die Zulage in Höhe von 175 Euro gibt es auf jeden Fall. Wer allerdings dauerhaft geringfügig beschäftigt ist, wird im Alter auch nur eine minimale gesetzliche Rente erhalten, die unter Umständen unterhalb der sogenannten Grundsicherung liegt, die Rentner vom Staat erhalten können.
Jeder zweite Beschäftigte riestert
Schätzungsweise jeder zweite Beschäftigte riestert. Mit rund 4 Milliarden Euro bezuschusst das Bundesministerium für Arbeit und Soziales jährlich die 16,4 Millionen Altersvorsorgeverträge, die es in verschiedenen Produktvarianten wie fondsgebunden, klassisch oder als Wohnriester gibt. Die Frage, ob am Ende ein Riester-Vertrag Teil der individuellen Altersvorsorge sein soll, lässt sich hier nicht pauschal mit »Ja« oder »Nein« beantworten.
Weitere Hinweise, um diese Frage schlüssiger zu beantworten, finden Sie in dem leider nicht mehr neu aufgelegten Ratgeber der Verbraucherzentralen »Altersvorsorge mit wenig Geld. Kleine Beträge - große Wirkung«. Über Antiquariate wie dem Zentralen Verzeichnis Antiquarischer Bücher (zvab.com) können Sie aber noch Exemplare für etwa 6 Euro beziehen.
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