Joker beim Schutz der Biodiversität

Weltnaturschutzunion IUCN wertet Rolle der indigenen Völker auf

  • Christian Mihatsch
  • Lesedauer: 3 Min.

In Marseille ist am Freitag der alle vier Jahre stattfindende Kongress der Internationalen Union zur Bewahrung der Natur (IUCN) zu Ende gegangen. Das Hauptaugenmerk lag dabei auf der besseren Integration von Indigenen.

Bislang hatte die Weltnaturschutzunion zwei Typen von Mitgliedern: zum einen Staaten und zum anderen zivilgesellschaftliche Organisationen, deren Stimmen jeweils separat ausgezählt werden. In Marseille sind nun die Verbände von indigenen Völkern als dritter Mitgliedstyp dazugestoßen. Damit sollen deren Leistungen beim Schutz der Artenvielfalt anerkannt und besser genutzt werden: »Indigene Völker machen fünf Prozent der Weltbevölkerung aus und schützen über 80 Prozent der biologischen Vielfalt der Erde«, sagte die neue IUCN-Präsidentin Razan Khalifa Al Mubarak. »Ihre Erfahrungen mit der Frage, wie man im Gleichgewicht mit der Natur leben kann, liefern der Welt unschätzbare Erkenntnisse«, ist Al Mubarak überzeugt.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

In der Vergangenheit war das Verhältnis zwischen der IUCN und den indigenen Völkern allerdings angespannt. Die Union folgte lange dem »Yellowstone-Modell«, das menschenleere Schutzgebiete propagiert. Doch nach und nach hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass indigene Völker einen wichtigen Beitrag leisten. So zeigt eine Studie der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO, dass die Entwaldung in Gebieten des Amazonas-Regenwaldes unter indigener Verwaltung nur halb so hoch war wie in anderen Teilen. Zudem spart laut FAO der Staat damit Geld: »Während die Auswirkungen der Gewährleistung von Besitzansprüchen groß sind, sind die Kosten sehr gering«, heißt es im Bericht.

Wie wichtig der Artenschutz ist, zeigt die aktualisierte Rote Liste der gefährdeten Arten. Von den knapp 140 000 untersuchten Arten in der bekanntesten IUCN-Publikation ist über ein Viertel mehr oder weniger vom Aussterben bedroht. Es gibt allerdings auch gute Nachrichten: Mittlerweile haben sich die Bestände von vier der sieben am stärksten befischten Thunfischarten deutlich erholt. »Diese Bewertungen der Roten Liste sind der Beweis dafür, dass nachhaltige Fischereikonzepte funktionieren und langfristig enorme Vorteile für die Lebensgrundlagen und die biologische Vielfalt mit sich bringen«, sagte Bruce Collette, der beim IUCN für diesen Bereich zuständig ist. In anderen Fällen reicht Schutz allein allerdings nicht. So sind beispielsweise Komodo-Warane auf der gleichnamigen indonesischen Insel eigentlich gut geschützt, wegen des Klimawandels dürften sie in den nächsten 45 Jahren jedoch mindestens 30 Prozent ihres Lebensraums verlieren.

Der IUCN-Kongress diente auch der Vorbereitung der nächsten Konferenz der UN-Biodiversitätskonvention im chinesischen Kunming, die wegen der Corona-Pandemie auf April 2022 verschoben wurde. Die Konferenz soll für den Artenschutz so wichtig werden wie die Pariser Klimakonferenz für den Klimaschutz. Es wird erwartet, dass die Staaten beschließen, bis zum Jahr 2030 insgesamt 30 Prozent der Erde unter Schutz zu stellen.

Auch stimmten die IUCN-Delegierten über gut 100 Anträge ab. Gemäß der einzigartigen Struktur gilt nicht das Konsensprinzip, sondern es wird mehrheitlich entschieden. Dem Antrag für ein Moratorium beim Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee stimmten 81 Länder zu, 18 stimmten dagegen und 28 enthielten sich. Auch die Nichtregierungsorganisationen waren mit großer Mehrheit dafür. Die Entscheidung setzt nun die Internationale Meeresbodenbehörde unter Druck, die in zwei Jahren erste Abbaulizenzen erteilen will.

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