Mehr als 220 Aktivisten im Kampf für die Natur gestorben

Vor allem Lateinamerika ist weiterhin ein gefährliches Pflaster für Umweltschützer.

  • Denis Düttmann, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.

Bogotá. Der Kampf gegen Landnahme und Raubbau an der Natur wird immer gefährlicher: Im vergangenen Jahr sind weltweit 227 Umweltschützer getötet worden, wie die Nichtregierungsorganisation Global Witness am Montag bei der Vorstellung einer neuen Studie mitteilte. Das waren mehr als vier Morde pro Woche und mehr als jemals zuvor. Drei Viertel der tödlichen Angriffe wurden in Lateinamerika registriert. In Kolumbien wurden 65 Naturschützer und Umweltaktivisten getötet, in Mexiko 30, auf den Philippinen 29 und in Brasilien 20. Die Organisation geht allerdings davon aus, dass die tatsächliche Zahl der getöteten Umweltschützer noch deutlich höher liegt.

»2020 war das bislang schlimmste Jahr. Die Aggressionen gegen Umweltschützer und Menschenrechtsaktivisten haben stark zugenommen«, sagt Lourdes Castro von der kolumbianischen Nichtregierungsorganisation Somos Defensores. »Am häufigsten geraten Indigene ins Visier, die ihre angestammten Ländereien verteidigen.« 2019 kamen 212 Umweltaktivisten weltweit ums Leben.

Hinter den Gewalttaten stecken meist Unternehmen, Bauern und teilweise auch staatliche Akteure sowie kriminelle Banden, paramilitärische Gruppen und Rebellen. Weltweit standen die meisten Morde an Umweltschützern im Zusammenhang mit der Forstwirtschaft, gefolgt von Wasser- und Dammbauprojekten und der Landwirtschaft, wie aus dem Bericht von Global Witness hervorgeht.

»Solange die Regierungen den Schutz der Umweltaktivisten nicht ernst nehmen und die Unternehmen nicht anfangen, die Menschen und den Planeten vor den Profit zu stellen, werden sowohl der Klimazusammenbruch als auch die Morde weitergehen«, sagt Chris Madden von Global Witness. »Jene, die im Kampf gegen die Klimakrise ihr Leben riskieren, um die Wälder, Flüsse und Ökosysteme zu retten, tragen eine schwere Last. Das muss aufhören.«

Im Norden von Mexiko wurde im September vergangenen Jahres der indigene Aktivist Óscar Eyraud Adams vor seinem Haus von Unbekannten erschossen. Der Sprecher des Volks der Kumiai hatte zuvor gegen den Wassermangel in Tecate im Bundesstaat Baja California protestiert. Er warf der staatlichen Wasserbehörde Conagua vor, der Brauerei Heineken die Nutzung von Brunnen erlaubt zu haben, ohne die indigene Bevölkerung zu konsultieren. Die Bürgerkommission für Menschenrechte macht Conagua und Heineken für den Mord an Adams mitverantwortlich.

»Die Regierung nimmt das Problem nicht ernst. Viele der Gewalttaten bleiben deshalb ungesühnt«, klagt Luz Coral Hernández vom Mexikanischen Zentrum für Umweltrecht (Cemda).

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Im Südwesten von Kolumbien erschossen Angreifer im Juli vergangenen Jahres Rodrigo Salazar vom indigenen Volk der Awá. Der 44-Jährige war gerade auf dem Weg zu einem Treffen, um mit anderen indigenen Anführern und der Staatsanwaltschaft die Umsetzung des Friedensvertrags zwischen der Regierung und den Farc-Rebellen zu besprechen.

»Die Gewalt in Kolumbien geht vor allem von ehemaligen Paramilitärs, Dissidenten der Guerillaorganisationen und den staatlichen Sicherheitskräften aus«, sagt die Aktivistin Castro. »Aber in der letzten Zeit gibt es immer mehr kleine Banden, die plötzlich auftauchen und dann wieder verschwinden. Das macht die Ermittlungen noch schwieriger.«

Umgerechnet auf die Einwohnerzahl war das gefährlichste Land für Umweltschützer Nicaragua mit zwölf Morden, gefolgt von Honduras und Kolumbien. In Afrika stieg die Zahl der Morde an Umweltschützern von sieben im Jahr 2019 auf 18 im vergangenen Jahr extrem an. Allein in der Demokratischen Republik Kongo wurden zwölf Ranger und ein Fahrer bei der Attacke einer Miliz im Virunga Nationalpark getötet.

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Neben Gewalttaten und Morden haben auch Bedrohungen, Verleumdungskampagnen und juristische Verfahren gegen Umweltschützer zugenommen. Nach Einschätzung des Stockholm International Peace Research Institute (Sipri) werden Aktivisten immer häufiger im Internet ausgespäht und bedroht. »Unterdrückung, Einschüchterung und offene Überwachung können die Motivation der Aktivisten und ihre psychische Gesundheit stark beeinträchtigen«, heißt es in einem Bericht von Sipri.

Experten sind sich einig, dass gerade angesichts des Klimawandels dem konsequenten Schutz der Natur und dem Erhalt der Ökosysteme auch eine globale Bedeutung zukommt. Deshalb fordern sie einen besseren Schutz der Aktivisten. »Um die Lage der Umweltschützer und Indigenen zu verbessern, müssen wir die weit verbreitete Straflosigkeit beenden«, fordert die Anwältin Hernández von der mexikanischen Organisation Cemda. »Die Regierung muss die Gewalttaten ernst nehmen und die Täter konsequent verfolgen.«

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Nach Einschätzung von Castro tragen auch Unternehmen und Konsumenten in Europa zumindest eine Mitverantwortung für die Gewalt gegen Umweltschützer. »Firmen und Kunden sollten sich bewusst machen, dass Bergbau, Landwirtschaft und Abholzung in Lateinamerika oft mit Gewalt einhergehen«, sagt die Aktivistin von Somos Defensores. dpa/nd

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