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Die letzten Skrupel sind fort
Mit der Champions League heizt die Uefa ein krankes System immer weiter an
Eigentlich braucht die Champions League keine rührige Werbetrommel. Längst ist die Königsklasse ein sich selbst vermarktendes Produkt mit weltweiter Strahlkraft. Gleichwohl setzt die Europäische Fußball-Union (Uefa) über ihre Kanäle zwei der prägendsten Figuren ihres wertvollsten Wettbewerbs jetzt kraftvoll in Szene: Kylian Mbappé (Paris St. Germain) und Kevin De Bruyne (Manchester City) stehen im Mittelpunkt einer Dokumentation, die in der K.o.-Phase der vergangenen Spielzeit entstand - und an deren Ende weder der eine noch der andere den Henkelpott gewann. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass die beiden in eine Gruppe mit RB Leipzig gelosten Klubs jetzt als die erklärten Favoriten antreten; zwei fremdfinanzierte Gebilde, vollgepumpt mit Geld eines Staatsfonds aus Katar bzw. Eigentümern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, die wie getriebene Jäger nach einem verlorenen Schatz auftreten. Investiert wird auch mitten in der Pandemie frei nach dem Motto: Koste es, was es wolle!
Mit der Verpflichtung der alternden Ikone Lionel Messi und der verweigerten Freigabe für das junge Phänomen Mbappé tritt in Paris eine Weltauswahl an, die an die Galaktischen aus Madrid Anfang des Jahrtausends erinnert, als Zinedine Zidane, David Beckham und Luis Figo das Trikot Reals trugen. Zweitrangig, ob das zusammenpasste. Ähnlich ist es jetzt bei Mbappé, Messi und Neymar. Hauptsache, der allerhöchste Glamourfaktor umspannt das Lieblingsspielzeug von Nasser Al-Khelaifi, der es als Präsident von PSG geschafft hat, ganz offiziell immensen Einfluss innerhalb der Uefa zu erlangen, obwohl sein Konstrukt die Regelungen zum Financial Fairplay mit Füßen tritt. Wie die vor dem Sportgerichtshof Cas angestrengten Verfahren gegen Paris und Manchester scheiterten, sprach Bände. Eine Regulierung schien gar nicht gewollt, wenn Klubs die Zusammensetzung der Richter mitbestimmen können.
Ergo: Ein sportlich über jeden Zweifel erhabener Wettbewerb befördert weiterhin ein ungesundes wirtschaftliches Wettrüsten, aus dem es scheinbar kein Entrinnen mehr gibt. Auch der FC Chelsea ist als aktueller Champions-League-Sieger kein leuchtendes Vorbild, weil die ungeachtet der Coronakrise getätigten Investitionen - auch in die deutschen Nationalspieler Kai Havertz und Timo Werner - so schnell belohnt worden sind.
Die absurde Aufführung um die mühsam abgewendete Super League zeigte vor allem eines: Die gierigen Großklubs kennen kaum noch Skrupel. Auch die namhaftesten englischen Vertreter wollten ja anfänglich in diesem geschlossenen Zwölfer-Zirkel mitmachen, ehe sie den Unmut der Fanbasis zu spüren bekamen. Abstrus, dass Madrid, Barcelona und Turin mit Strippenzieher Andrea Agnelli - als Boss der Klubvereinigung ECA mit der spektakulären Revolte im Frühjahr untragbar geworden - dem Super-League-Monster noch immer nicht abschwören.
»Diese Typen haben versucht, den Fußball zu töten«, sagte Uefa-Präsident Aleksander Čeferin jetzt im »Spiegel«. Manche Klubs hätten »einfach inkompetente Chefs«. Reals Boss Florentino Perez habe »gejammert, dass der Verein nur überleben könne, wenn es eine Super League gäbe. Und jetzt hat er versucht, Kylian Mbappe für 180 Millionen Euro zu kaufen!«
Doch was tut denn Čeferins Uefa gegen den Wildwuchs? Eine echte Bestrafung hat es für das Trio nicht gegeben. Und: Nicht die Uefa-Regularien stoppten beim FC Barcelona die zu teure Weiterbeschäftigung Messis, sondern eine Vereinbarung der Klubs der spanischen Liga. Die mit 1,35 Milliarden Euro Schulden belasteten Katalanen benötigten den Gehaltsverzicht einiger Stars um Gerard Pique, damit die Personalkosten nicht über 100 Prozent der Einnahmen liegen - und neue Spieler wie Memphis Depay registriert werden konnten. Die Uefa hätte alles auch ohne Verzicht laufen lassen.
Eingedenk solcher Rahmenbedingungen ist es fast mutig, dass Bayern Münchens Präsident Herbert Hainer just auf der Sportwirtschaftsmesse Spobis verkündete, man wolle die nächsten Jahre zu den Top-Drei in Europa gehören: »Das ist der Anspruch.« Dabei sind die Münchner nicht gewillt, jeden Poker mitzumachen, wie der ablösefreie Verlust seines Führungsspielers David Alaba gezeigt hat, für den dann eben Real Madrid ein fürstliches 115-Millionen-Paket an Handgeld, Provisionen und Gehalt für Spieler und Berater geschnürt hat. Doch auch bei den Bayern leben die Stars nicht schlecht: In der Saison 2019/2020 wies die Bilanz bei einem Umsatz von 664 Millionen Euro einen Personalaufwand von 340 Millionen aus - da kann man sich leicht ausrechnen, was die Hauptdarsteller einstreichen.
Trotzdem steht die Bundesliga finanziell noch gut da, fürchtet aber, dass die Uefa die Regeln für den Einstieg von Investoren liberalisiert. Das würde noch mehr Wildwuchs in einem kranken System befeuern, wo doch Scheichs und Oligarchen nicht nur die Konkurrenz vor sich hertreiben, sondern auch die Uefa zu immer neuen Verrenkungen zwingen. Eigentlich ist die aktuelle Form mit 32 Teams, die diesmal aus 15 Ländern kommen, von allen akzeptiert, sonst würden dank der Sponsoren und Fernsehanstalten nicht fast exakt zwei Milliarden Euro an die Teilnehmer wieder ausgeschüttet.
Die umstrittene nächste Reform eines Wettbewerbs, der 1992 zunächst mit zwei K.o.-Runden und anschließend zwei Vierergruppen begann, ist ursächlich dem Drang nach noch mehr Erlösen geschuldet. Ab 2024 werden sage und schreibe 225 Begegnungen nötig sein, um den neuen Champion zu küren. 100 Begegnungen mehr als bisher. Die neue Expansion, mit der allen Klubs acht oder zehn Spiele garantiert sind, war das Zugeständnis an jene Marken, denen die Kosten für die Topspieler davongaloppieren. Und die setzt die Uefa auch noch heldenhaft in Szene.
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