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Eskalation nach Solidemo
Behinderung der Pressearbeit bei Demonstration für Lina E. in Leipzig
In der Leipziger Einkaufsmeile zeigte nur das beständige laute Knattern eines Polizeihubschraubers, dass sich am Samstagnachmittag rund 5000 Antifaschist*innen in der Stadt versammelt hatten. Unter dem Motto »Wir sind alle Linx« wollten sie sich mit Lina E. solidarisieren, die seit November 2020 wegen angeblicher Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Untersuchungshaft sitzt. Ihr und drei Männern werden militante Angriffe auf Personen der rechten Szene vorgeworfen. Die Angeklagten äußerten sich bisher nicht zu den Vorwürfen, ihre Anwält*innen sprechen von einer äußerst dürftigen Beweislage.
Der Prozess hat kürzlich vor dem Dresdner Staatsschutzsenat begonnen. Die Demonstration fand in Leipzig statt, wo Lena vor ihrer Festnahme studierte und in antifaschistischen Gruppen war. Neben vielen oft sehr jungen Antifa-Aktivist*innen, die aus dem gesamten Bundesgebiet angereist waren, beteiligten sich auch Politiker*innen der Linken, wie der Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann und die Landtagsabgeordneten Juliane Nagel und Marco Böhme, an der Demonstration. Im vorderen Block wurde immer wieder die Parole »Free Lina« skandiert. Auf der Route zum Connewitzer Kreuz gab es häufig Sympathiebekundungen aus den Häusern des traditionell linken Stadtteils.
Die Mutter von Lina E. kritisierte in ihrer Rede während der Auftaktkundgebung die Vorverurteilung ihrer Tochter in Medienberichten. Die Unschuldsvermutung des bürgerlichen Rechts werde ignoriert. Zudem monierte sie Sexismus in der Berichterstattung. Sie ermutigte die Demonstrationsteilnehmer*innen, im Kampf gegen Faschismus und Rassismus nicht nachzulassen und dankte für die Solidarität mit ihrer Tochter. Auch eine Rednerin der linksradikalen Leipziger Gruppe Prisma ging auf die hetzerische Berichterstattung über Lina E. ein, die sogar in manchen Zeitungen mit der für ihre Beteiligung an den NSU-Morden verurteilten Rechtsterroristin Beate Zschäpe verglichen wurde. In anderen Redebeiträgen wurde auf weitere Repressionsfälle aufmerksam gemacht. So sitzt in Stuttgart ein junger Antifaschist in Untersuchungshaft. Er wird beschuldigt, an einen Angriff auf eine rechte Gruppe beteiligt gewesen zu sein. In Nürnberg musste vor einigen Tagen ein Mann eine Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monate antreten. Ihm war vorgeworfen worden, Polizisten bei einem Einsatz angeschrien zu haben. Obwohl er sie nicht berührt hatte, wurde der Vorfall als Angriff auf Vollstreckungsbeamte eingeordnet.
Auch über politische Repression gegen Antifaschist*innen in anderen Ländern wurde berichtet. Am Ende der Abschlusskundgebung wurde zu einem Straßenfest in der Nähe des Connewitzer Kreuzes eingeladen. Dazu kam es aber nicht. Stattdessen wurden Baumaterial und Äste auf der Straße angezündet. Gegen 18 Uhr marschierte die bis dahin zurückhaltend agierende Polizei auf. Wasserwerfer wurden eingesetzt, es gab einige Festnahmen. Zu diesem Zeitpunkt war aber die überwiegende Mehrheit der Demonstrant*innen nicht mehr anwesend. Als Starkregen einsetzte, schrumpfte der Personenkreis noch einmal beträchtlich. Der Vorbereitungskreis zeigte sich über die hohe Teilnehmer*innenzahl erfreut. Sie habe die eigenen Erwartungen deutlich übertroffen.
Die Leipziger Linke kritisierte Barrikadenbau und Gewalt: »Antifaschismus: Ja! Dafür auf die Straße gehen: Ja! Gewalt und Bedrohungen von Personen: Nein, da gibt es bei uns keine zwei Meinungen«, erklärte der Linke-Stadtverband. Auf Plakaten waren einzelne Polizeibeamte namentlich angegriffen worden. Dies monierte auch die Leipziger Linke-Politikerin Juliane Nagel, die auf der Demo mitgelaufen war.
Derweil kritisierte der Berliner Gewerkschafter Jörg Reichel, bei Verdi Berlin-Brandenburg Ansprechpartner für Medienschaffende, Übergriffe von Polizisten auf Journalisten. Auf Twitter berichtete er, es habe mindestens neun Übergriffe inklusive vier »tätliche Angriffe wie Schlagen, Schubsen, Sachbeschädigung« durch Beamte gegeben. »Drei Stunden lang behinderte die Polizei die Pressearbeit«, so Reichel und fügte hinzu. »Die Polizei Sachsen hat ein großes Problem mit der Pressefreiheit.«
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