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Die offene Flanke der Union
Linke-Politiker Fabio De Masi prangert die Lücken bei der Geldwäschebekämpfung schon lange an
Die Fragen in der nicht-öffentlichen Sondersitzung des Bundestag-Finanzausschusses zur Affäre um die Anti-Geldwäsche-Einheit FIU waren lästig für Olaf Scholz. Die fehlende Schlagkraft bei der Geldwäschebekämpfung zeigt, was der SPD-Kanzlerkandidat als Finanzminister nicht geschafft hat. Aber immerhin: Anders als zunächst angekündigt unterbrach Scholz seine Wahlkampftour und erschien persönlich vor dem Ausschuss. Um 15 Uhr hielt er aber schon wieder eine Rede in Nürtingen in Baden-Württemberg.
Deutschland gilt Kritikern schon lange als Geldwäsche-Eldorado. 100 Milliarden Euro werden hier jährlich gewaschen, schätzt Linke-Fraktionsvize Fabio De Masi. Einerseits liegt dies an der wirtschaftlichen Stärke des Landes, andererseits an Defiziten in der Strafverfolgung. Für die Geldwäscheaufsicht im Finanzsektor ist die Bafin zuständig. Dies gilt als problematisch, wie der Fall Wirecard zeigte. Mittlerweile sortiert sich die Behörde neu. Bundesfinanzminister Scholz hatte 2020 einen Aktionsplan vorgelegt und die Spitze des Amtes neu besetzt. Im Mai verabschiedete der Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität, durch welches die Bafin größere Kompetenzen und Durchgriffsrechte erhält. Für Dezember plant sie eine Fachtagung zur Geldwäscheprävention.
Bei der Aufsicht über den Nicht-Finanzsektor – etwa Notare, Immobilienmakler oder Wirtschaftsprüfer – besteht allerdings ein Vollzugsdefizit, wie ein Blick in den Jahresbericht der Financial Intelligence Unit (FIU) zeigt. Die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen war in Reaktion auf die Anschläge am 11. September 2001 gegründet worden, ursprünglich beim Bundeskriminalamt. 2017 schob Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die FIU zum Zoll ab. Im Mai dieses Jahres wurde die Einheit immerhin zu einer eigenen Direktion innerhalb der Bundeszollverwaltung aufgewertet.
Doch die FIU wird mit Schreiben vor allem von Banken überflutet – aus Angst vor Strafen melden diese lieber zu viele als zu wenige Verdachtsfälle. Allein im Jahr 2020 ging es um satte 481 000 potenziell verdächtige Transaktionen, ein Plus von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Scholz hat die FIU in dieser Legislaturperiode immerhin »personell massiv gestärkt«, wie ein Sprecher des Zolls erklärt. Sie wuchs von 165 »sukzessive« auf 540 Beschäftigte. Einer weiteren Personalverstärkung auf rund 720 Beschäftigte hat der Haushaltsausschuss des Bundestages bereits zugestimmt.
Derweil hat die Umsetzung der fünften Anti-Geldwäsche-Richtlinie der EU in deutsches Recht die Rechtslage für Bafin und FIU verbessert. Ein Transparenzregister soll es schwerer machen, die Besitzverhältnisse von Unternehmen über Strohmänner zu verschleiern. Das Instrument gilt aber als löchrig. Gänzlich fehlt ein bundesweites Immobilienregister. Ein Großteil der kriminellen Gelder fließt »bar« in Häuser und Grundstücke. Ein Immobilienregister steht daher im Mittelpunkt eines detaillierten Masterplans gegen Geldwäsche, den Linkspolitiker De Masi und seine Fraktion im Juni 2019 vorlegten.
Im Finanzausschuss ging es am Montag aber um etwas ganz anderes: Die Staatsanwaltschaft Osnabrück, »weil durch Banken gefertigte Geldwäsche-Verdachtsfälle in Millionenhöhe durch die FIU nicht an Polizei und Justiz weitergeleitet wurden«, wie es in einer Pressemitteilung heißt. Im Sommer 2020 hatten die Fahnder – weisungsbefugte Dienstherrin ist Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) – bereits die FIU in Köln durchsuchen lassen. Durchsuchungen des Bundesfinanz- und des Bundesjustizministeriums in Berlin vor wenigen Tagen führten nun zu der aktuellen Aufregung.
Dass nicht alle Verdachtsfälle weitergegeben werden, ist allerdings der Normalfall; die FIU soll ja gerade die Spreu vom Weizen trennen. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Pequris stiegen die Verdachtsmeldungen von 2017 bis 2020 um 140 Prozent, doch es wurden von der Zentralstelle kaum mehr Fälle an die Strafverfolgungsbehörden gemeldet. 2020 waren es 17,2 Prozent der Verdachtsfälle.
Von den Durchsuchungen will gerade die angeschlagene Union im Wahlkampf profitieren. »Die CDU ist verlogen«, kritisiert Finanzpolitiker Fabio De Masi, der aus dem Bundestag jetzt auf eigenen Wunsch ausscheidet. »Ich habe die Zustände bei der Geldwäschebekämpfung und das Chaos bei der FIU bereits thematisiert, als die Finanzminister noch Schäuble und Altmaier hießen.« In der Parlamentsdebatte zum Masterplan Geldwäsche musste zudem ein Hammelsprung durchgeführt werden, weil das Interesse von CDU und CSU nicht für die Beschlussfähigkeit reichte. »Die Union warf mir in der Debatte vor, die FIU schlecht zu reden.« Es sei daher nun ein Schmierentheater, das die CDU aufführe und mit dem sie vom eigenen Versagen ablenken wolle.
Die Linksfraktion fordert den Aufbau einer Bundesfinanzpolizei. Auch hier stand die CDU bislang auf der Bremse. Im Übrigen gebe es beim Thema Geldwäsche auch in der Union viel zu besprechen, stichelt De Masi, der auf diesem Gebiet einer der wichtigsten Experten in diesem Land ist. Er verweist auf die Maskendeals von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Provisionen seiner Parteifreunde.
Scholz und FIU-Chef Christof Schulte wiesen im Finanzausschuss des Bundestags Vorwürfe gegen die Anti-Geldwäsche-Einheit erwartungsgemäß zurück. Der Minister sagte nach der Sitzung in Berlin, die Behörde habe in den vergangenen drei Jahren seiner Amtszeit mehr hinbekommen als in 30 Jahren zuvor. Die Grünen kritisierten dagegen die fehlende Bereitschaft zur Aufklärung.
Es gibt indes aber auch Spekulationen über andere Motive bei den ungewöhnlichen Durchsuchungen in Berlin als fachliche. Wie seine Dienstherrin ist der Chef der Osnabrücker Staatsanwaltschaft, Bernard Südbeck, CDU-Mitglied. Nach Darstellung des Justizministeriums waren die gesuchten Unterlagen der Staatsanwaltschaft lange vorher angeboten worden. Die Behörde wies beides zurück. Allerdings hält auch der Verfassungsrechtler Joachim Wieland die Durchsuchung für rechtswidrig: Es gebe »durchgreifende Zweifel an der erforderlichen Verhältnismäßigkeit«, schrieb er in einem Blogeintrag. Mit Agenturen
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