Die größte Reform aller Zeiten

Aus dem Aktienindex DAX wurde am 20. September der »DAX 40«

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.

Er hat den Ersten Weltkrieg überlebt, die Weltwirtschaftskrise 1929, die Finanzkrise 2007, und er wird auch die Corona-Pandemie überstehen. Die Rede ist vom legendären Aktienindex »Dow Jones«. Der später berühmteste Index der Welt wurde erstmals am 6. Mai 1896 berechnet. Konzipiert hatten dieses Börsenbarometer die beiden amerikanischen Journalisten Charles Dow und Edward Jones, die dem Katalog auch seinen Namen gaben, nämlich in aller Bescheidenheit den ihren: »Dow« und »Jones« eben. Der Dow-Jones-Index versammelt bis heute die 30 umsatzstärksten US-amerikanischen Aktienwerte, die »Blue Chips«.

Was im Dow Jones steckt

Dabei trügt sein wirklicher Name immer noch. Trotz seines kompletten Titels »Dow Jones Industrial Average« (DJIA) versammelt der Index keineswegs allein Industriekonzerne. Gelistet werden auch Finanzdienstleister wie American Express oder Einzelhandelsriesen wie Walmart.

Mittlerweile sind Dutzende Weiterentwicklungen des Dow-Jones auf dem internationalen Finanzmärkten angekommen. So führte die Deutsche Börse 1998 den »Dow Jones Euro Stoxx« ein. Er repräsentiert die wichtigsten europäischen Aktienmärkte. Doch auch wenn es heute auf dem Finanzmarkt Indizes wie Sand am Meer gibt, gilt der klassische Dow-Jones weiterhin als einer der wichtigsten Maßstäbe für Börsianer, Notenbanker und für viele Politiker in aller Welt.

Galten Indizes lange vor allem als Börsenbarometer und Stimmungsindikator der Wirtschaft, wurden sie seit den 1990er Jahren auch in Deutschland immer wichtiger als Grundlage von Finanzprodukten. So bilden Fondsgesellschaften für ihre Investmentfonds alle möglichen Indizes nach. Das kann beispielsweise ein Index auf deutsche Aktien sein, auf globale Währungen oder auf Immobilien in Asien.

Der Deutsche Aktienindex

Der Vorteil aus Sicht von Kleinanlegern: Sie können sich mit 50 oder 100 Euro Mindestsumme an einem ganzen Korb voller Wertpapiere beteiligen. Später kamen neue Produkte hinzu, wie sogenannte Zertifikate, die sich lediglich an der Wertentwicklung eines Index orientieren, oder »ETF«, börsengehandelte Fonds. Vor allem stecken Indizes in vielen Lebensversicherungen. Sei es, dass der Versicherer Teile seines Kapitals in Index-Produkte investiert, sei es, dass Verbraucher in einer »fondsgebundenen Lebensversicherung« ansparen, die sich etwa am Deutschen Aktienindex (DAX) ausrichtet.

Der DAX ist weit jünger als der Dow Jones. Doch wie sein großes Vorbild umfasst er 30 Aktiengesellschaften. Entwickelt wurde der DAX gemeinsam von den deutschen Börsen und der »Börsen-Zeitung«, die bis dahin einen eigenen Index berechnet hatte. Veröffentlicht wird der Leitindex von der Börse in Frankfurt am Main üblicherweise als »Performance-Index«, die Dividenden werden rechnerisch reinvestiert. Bei einem »Kurs-Index« bleiben Dividenden unberücksichtigt.

Seit seinem Start am 31. Dezember 1987 legte der DAX von 1000 auf 15 802,70 Punkte, dem bisherigen Allzeithoch, im Juni dieses Jahres zu. Allerdings nicht geradlinig, sondern in einem ständigen Auf und Ab, welches noch von mehreren Crashs unterbrochen wurde.

Was sind die Gründe der Reform?

Im September 2021 zog die Deutsche Börse AG die größte Reform aller ihrer Zeiten durch. Am 3. September stiegen zehn Unternehmen in den wichtigsten deutschen Aktienindex auf. Die »Königsklasse« der Aktienwerte wächst damit von 30 auf 40 Titel an. Diese neue Zusammensetzung wurde am 20. September 2021 umgesetzt.

»Die Neuordnung des DAX ist kein kurzfristiges Projekt, sondern wurde bereits länger geplant und jetzt umgesetzt«, erklärt der Bundesverband deutscher Banken (BdB) in einem sogenannten Blogartikel. Das erklärte Ziel dabei lautet, mit dem DAX die deutsche Wirtschaft besser abzubilden und an internationale Standards anzupassen. Dies solle, so der BdB, vor allem bei internationalen Investoren für mehr Sichtbarkeit sorgen.

Der Wirecard-Skandal beschleunigte die Umsetzung dieser Reform. Potenzielle Kandidaten müssen seit Dezember 2020 für zwei Jahre Gewinne ausweisen können. Das ist nicht bei allen aktuellen DAX-Konzernen der Fall. Damit soll sichergestellt werden, dass die gelisteten Unternehmen »ein wirtschaftliches Geschäftsmodell« verfolgen. Ein weiterer wesentlicher Reformaspekt ist, dass in Zukunft nur noch der Börsenwert, also die sogenannte Marktkapitalisierung, ausschlaggebend sein wird, welches Unternehmen gelistet wird und welches nicht.

Neues Kriterium

In der Vergangenheit wurde neben der Marktkapitalisierung auch das Handelsvolumen als entscheidendes Kriterium herangezogen. Der Wegfall des Kriteriums Börsenumsatz bedeutet jedoch nicht, dass Anleger Schwierigkeiten mit dem Kauf oder Verkauf der dort gelisteten Unternehmen bekommen dürften. Im DAX gelistete Unternehmen müssen weiterhin für ein Mindestmaß an »Liquidität« ihrer Aktien sorgen.

Für Privatanlegender entsteht kein akuter Handlungsbedarf. Dennoch lohnt es sich, noch einmal genau hinzusehen, wo Sie ihr Geld am Aktienmarkt platziert haben: Haben Sie beispielsweise in einen ETF investiert, bedeutet diese Reform für Sie, dass sich Ihr Portfolio erweitert und vielfältiger wird. Eine breite Streuung reduziert üblicherweise Risiken und ist insofern positiv für Anlegende. Grundsätzlich sind Sparer jedoch gut beraten, sich nicht einzig und allein auf den DAX zu konzentrieren. Zukünftig wird der Leitindex etwa 80 Prozent des Börsenwerts aller deutschen Aktien umfassen.

Eine einfache Anfrage »DAX« in einer Suchmaschine im Internet genügt, um sich über den genauen Verlauf und die aktuelle Zusammensetzung zu informieren.

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