- Politik
- Was kostet Klimaschutz?
Randthema soziale Kosten
Wahlprogramme der Bundestagsparteien: Von Pendlern, Klima-Boni und dem Ende aller CO2-Besteuerung
Das schönste Klima-Geständnis im Wahlkampf war sicher die Forderung von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), den Benzinpreis bei zwei Euro zu deckeln. Wer hätte schon vor Monaten geglaubt, dass ein Betonpolitiker der CSU einen Preisanstieg auf zwei Euro für tolerierbar hält.
Auch Scheuers Parteichef Markus Söder hat eine Idee, die gegen steigende Kraftstoffpreise helfen soll: Immer wenn der Benzinpreis um zehn Cent steigt, müsse die Pendlerpauschale um einen Cent erhöht werden, verlangte Söder im Sommer. In kommenden Koalitionsverhandlungen, sofern die Union so weit kommt, will er eine »deutliche Erhöhung« der Entfernungspauschale durchsetzen.
Im Wahlprogramm von CDU und CSU wird die Pendlerpauschale allerdings mit keinem Wort erwähnt. Dafür schwafeln die Konservativen lieber, Europa habe die Chance, der erste Kontinent CO2-neutraler Mobilität zu werden. Was das konkret bedeutet, ist nicht so wichtig. Hauptsache, im Wahlprogramm stehen schön klingende Ideen, die mit Klima zu tun haben.
Denn inzwischen ist es mit dem Klimaschutz ernst. Eine Politik, die alle Umweltkosten auf künftige Generationen verschiebt? Damit ist es in Deutschland spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vorbei. Ein sofortiges Einpreisen der vollen Umweltkosten der Emission einer Tonne CO2 - diese liegen laut Umweltbundesamt aktuell bei 201 Euro - würde allerdings unzumutbare soziale Verwerfungen mit sich bringen. Aber auch ein langsamer Anstieg des CO2-Preises droht Einkommensschwache zu überfordern. Wer knapp bei Kasse ist, kann eben nicht viel draufzahlen. Und schließlich steigen, wenn Öl und Gas sich verteuern, nicht nur beim Tanken die Kosten, sondern auch beim Wohnen und bei vielen anderen Dingen, die noch mit fossilen Energien hergestellt oder transportiert werden.
Die sozialen Folgen der CO2-Bepreisung gehören denn auch zu den beliebten Wahlkampfklassikern: Die einen warnen vor Verarmung und sozialer Spaltung, die anderen weisen darauf hin, dass gerade Arme und sozial Schwache zu den Gewinnern eines konsequenten Klimaschutzes gehören würden.
Gemessen an dem Getöse, steht in den Wahlprogrammen aber auch dazu herzlich wenig. CDU und CSU wollen den »Aufwuchspfad der CO2-Bepreisung straffen«. Soll heißen: Auch eine unionsgeführte Regierung kommt nicht drum herum, den nationalen CO2-Preis schneller zu erhöhen, als es die geltende Gesetzeslage vorsieht. Aber keine Angst. So schnell wie möglich wollen die Konservativen zu einem gesamteuropäischen Emissionshandel für Mobilität und Wärme übergehen - und die Einnahmen dann in vollem Umfang an Bürgerinnen und Bürger sowie an Betriebe »durch Stromverbilligung« zurückgeben. Ob aber bei einer europaweiten CO2-Steuer die Union ihre Bürger*innen so einfach besserstellen kann - das sollten CDU und CSU lieber mal in einem Rechtsgutachten untersuchen lassen.
Da wäre es schon deutlich einfacher für die Union, die geforderte Abschaffung der Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) durchzusetzen. Das wollen zum Beispiel auch die Sozialdemokraten. Ob dabei aber eine Entlastung strompreisgeplagter Haushalte herauskäme - da sollte man mit spitzem Bleistift nachrechnen. Schließlich bezahlen dieselben Haushalte die abgeschaffte EEG-Umlage entweder mit ihren Steuern über den Bundeshaushalt oder über die CO2-Bepreisung.
Die SPD hat das erkannt und fordert in ihrem Wahlprogramm, bei steigenden CO2-Preisen weitere sozial gerechte Ausgleichsmaßnahmen auf den Weg zu bringen und einen Pro-Kopf-Bonus zu prüfen. Dafür hätten die Sozialdemokraten mit den Grünen einen Partner. Diese wollen die Einnahmen aus dem nationalen CO2-Preis direkt an die Bürger*innen zurückgeben - über die Senkung der EEG-Umlage sowie über das Energiegeld. Das sind die viel zitierten 75 Euro pro Kopf. Für Bezieher*innen von ALG II oder Sozialhilfe soll auch etwas übrig bleiben, weil das Energiegeld nicht auf die Grundsicherung angerechnet wird.
Auch an die Pendler*innen denken die Grünen, aber nicht per Pendlerpauschale, die Besserverdienende bevorteilt. Für beruflich Pendelnde mit niedrigen Einkommen wollen die Grünen einen Klimabonusfonds auflegen, der den Umstieg auf Bus und Bahn oder die Anschaffung eines emissionsfreien Fahrzeugs erleichtern soll.
Die FDP macht mit sozialen Klimafragen kurzen Prozess. Sie will das CO2-Budget deckeln und den Emissionshandel so ausrichten, dass das Budget eingehalten wird. So einfach, so teuer für die Bürger*innen. Nach Schätzungen von Thinktanks würde bei konsequenter Umsetzung des FDP-Konzepts der CO2-Preis auf 200 bis 300 Euro steigen. Aktuell führen die geltenden 25 Euro des nationalen CO2-Preises zu einem Aufschlag von sechs bis sieben Cent pro Liter Kraftstoff. Das FDP-Konzept in Reinform liefe dann bei Benzin auf einen Preisaufschlag von 70 bis 80 Cent hinaus. Aber keine Sorge! Die FDP strebt ja auch eine Aufkommensneutralität der CO2-Steuer an, indem ein, wie es im Programm heißt, jährlich zu berechnender pauschaler Betrag, eine »Klimadividende«, an jede Bürgerin und jeden Bürger zurückgezahlt wird. Wie ein strenger Emissionshandel funktionieren soll, wenn das von ihm ausgehende Preissignal derart abgeschwächt wird - mit solchen Fragen schlagen sich die klimapolitischen Vereinfacher der FDP selbstverständlich nicht herum.
Die Linke wiederum hat generelle Probleme mit der CO2-Bepreisung und schafft es, auf 168 Seiten Wahlprogramm die Begriffe CO2-Preis oder -Bepreisung nicht ein einziges Mal zu erwähnen. Wer dies ignoriert, muss sich logischerweise auch keine Gedanken über dadurch entstehende soziale Kosten machen. Allerdings ist auch der Linken der Strompreis für Endkunden zu hoch. Diesen will Die Linke senken, indem erneuerbare Energien zu wesentlichen Teilen über den Bundeshaushalt statt über die EEG-Umlage gefördert und die Stromsteuer für private Verbraucher*innen gesenkt wird.
Im Unterschied zu den anderen Parteien befasst sich Die Linke auch mit den steigenden Klimakosten beim Wohnen. Wohngeld soll nach ihrem Willen künftig auf Basis der Bruttowarmmiete gezahlt und um eine Komponente für Stromkosten erweitert werden. Des Weiteren soll die Heiz-, Warmwasser- und Stromkostenkomponente im Wohngeld zu einer Energiekostenkomponente (»Klimawohngeld«) zusammengeführt werden.
Am allerkürzesten wird die sozialökologische Transformation bei der AfD abgehandelt. Die Rechten lehnen Dekarbonisierungsmaßnahmen grundsätzlich ab und wollen jegliche Form der CO2-Besteuerung abschaffen, das EEG ersatzlos streichen und die Vorrang-Einspeisung von Ökostrom beenden. Sofern die, wie die AfD meint, »realitätsfremde EU-CO2-Reduktionsgesetzgebung« im Verkehr nicht verhindert werden kann, sollten synthetische Kraftstoffe als »zukunftsfähiger Treibstoff für Verbrennungsmotoren« berücksichtigt werden. Eine besonders schlechte Nachricht für die Millionen preisfrustrierter Autofahrer, die die AfD im Blick hat: Derzeit kostet es 4,50 Euro, einen Liter synthetischen Kraftstoffs herzustellen - und bis dieser im Tank wäre, würden auch noch die Tankstellenbetreiber daran verdienen wollen.
Optimisten hoffen, der Preis für eFuels könnte bis 2030 unter 2,50 Euro sinken. Da könnte die AfD dann mit Scheuers CSU koalieren. Wer fossilen Sprit bei zwei Euro deckeln will, tut das sicher auch bei synthetischem. Die große Autoshow muss schließlich weitergehen.
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