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Stimmenfang im Fußballstadion

Vereine wie Hansa Rostock beklagen Wettbewerbsnachteile, weil andere vor ausverkauften Rängen spielen dürfen

Es wird gewählt. In Mecklenburg-Vorpommern geht es am Sonntag neben den Neubesetzungen im Bundestag beispielsweise auch um die der Landtage. Geführt werden die letzten Kämpfe um Stimmen allerorts. Mittendrin, und das unfreiwillig, fühle sich dabei der F.C. Hansa Rostock. So beschrieb es am Mittwoch der Vorstandsvorsitzende des Fußballvereins Robert Marien. Einen Tag später wurde er prompt bestätigt. »Es ist schon erstaunlich und vor allem erklärungsbedürftig, wie Landessportministerin Stefanie Drese mit einem der Aushängeschilder unseres Landes umgeht«, sagte Karsten Kolbe. Neben laut tönender Kritik an der verantwortlichen SPD-Frau forderte der sportpolitische Sprecher der Linksfraktion im Schweriner Landtag, die Landesverordnung kurzfristig zu ändern oder dem Verein eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen.

Mit den Abstimmungen erreichen die Wahlkämpfe am Sonntag ihren finalen Höhepunkt – und so manch politisches Versprechen wird dann schnell vergessen sein. Die Fragen aber, wer künftig Fußballstadien besuchen und wie hoch deren Auslastung sein darf, wird das Land noch etwas länger beschäftigen. Weil die Pandemie noch nicht vorbei ist und Viren sich im kühlen Herbst und frostigen Winter gern verbreiten.

In der aktuellen Auseinandersetzung um das Rostocker Zweitligaspiel an diesem Sonnabend gegen Schalke 04 erhielt der F.C. Hansa auch noch Unterstützung von der FDP. »Während andere Bundesländer schon jetzt eine Auslastung über 50 Prozent ermöglichen, wird in MV weiterhin gezögert«, kritisierte René Domke. Der Spitzenkandidat der Liberalen meint, dass Öffnungsschritte nicht schuldhaft verzögert werden dürften, von denen neben den kulturellen Aspekten auch die wirtschaftliche Stabilität von Vereinen und Organisatoren abhänge.

Genau diese Sorgen treiben auch Robert Marien um. Hinzu kommt der sportliche Wettbewerbsnachteil in Liga zwei, wenn Konkurrenten wie der Hamburger SV, Werder Bremen, Holstein Kiel oder der FC St. Pauli nach den jüngsten Entscheidungen ihrer Landesregierungen mit der 2G-Regelung wieder in ausverkauften Stadien spielen können – also mit sehr viel größerer Unterstützung ihrer Anhänger. All das veranlasst Hansas Vorstandschef, über rechtliche Schritte gegen die Beschränkungen nachzudenken: »Wenn in allen Bundesländern um einen herum Vereine ganz deutlich bessere Möglichkeiten haben, ihre Gelder zu erwirtschaften, dann muss ich das zumindest prüfen lassen.«

Mit einer Klage hatten die Klubs schon vor Saisonbeginn gedroht. Die darauffolgende politische Entscheidung ist vielerorts noch Status quo: eine Auslastung der Stadien zu 50 Prozent, maximal aber 25 000 Zuschauer. Und auch sonst darf sich der Profifußball nicht über fehlende politische Hilfe in Pandemiezeiten beschweren. Erinnert sei hier nur an die schnelle und nahezu exklusiv erteilte Spielerlaubnis auf Bundesebene im Frühjahr 2020. Mit diesem Sport ließ sich auch damals schon gut Politik machen.

Davon profitierte auch der F.C. Hansa. Daran erinnerte Marien in dieser Woche selbst noch mal: »Vor wenigen Wochen war Hansa noch europäischer Vorreiter in Sachen Zuschauer.« Im März, mitten im Aufstiegskampf zur 2. Bundesliga, durften die Rostocker als erster deutscher Profiverein wieder vor Zuschauern spielen. Diesen Wettbewerbsvorteil nahmen sie gern in Anspruch. Mitte Mai, im heißen Saisonfinale, hatte Mecklenburg-Vorpommerns stellvertretender Ministerpräsident Harry Glewe dann öffentlichkeitswirksam verkündet, man habe sich gemeinsam auf eine Gesamtzahl von 7500 Zuschauern verständigt. Und nur einen Monat später, kurz nach dem Rostocker Aufstieg, versprach der CDU-Mann, für die kommende Zweitligasaison 15 000 Fans zuzulassen.

»Jetzt dürfen zahlreiche Profivereine ihre Kapazitäten erhöhen, nur wir nicht«, klagt Marien. Seine wochenlangen Versuche, die politisch Verantwortlichen in Schwerin zu überzeugen, sind zumindest mit Blick auf das Spiel gegen den FC Schalke 04 gescheitert. »Wir haben in unserer Corona-Landesverordnung klare und verlässliche Regelungen für Veranstaltungen. Diese gelten bis zum 14. Oktober. Daran müssen sich Kulturveranstalter halten und auch der Profisport«, teilte das Ministerium für Inneres und Sport mit.

Das Rostocker Schicksal ist jedoch nicht die Ausnahme, sondern die derzeit fast überall geltende Regel. Entsprechend wird auch andernorts argumentiert. Vollere Stadien seien ein vertretbares Risiko, meint beispielsweise Hans-Joachim Watzke. Borussia Dortmunds Klubchef nennt die Kapazitätsgrenzen »beliebig« und »scheinbar ausgewürfelt«. Für den Profifußball insgesamt richtete Ligaverbandschef Christian Seifert mahnende Worte an die Politik: »Es wird Zeit, dass das ›Team Vorsicht‹ aufpasst, dass es nicht zum ›Team weltfremd‹ wird.« Populismus ist nicht lösungsorientiert, aber einfach – wie politischer Stimmenfang im Stadion. Kompliziert ist das Ringen um verantwortungsbewusste und gesamtgesellschaftliche Entscheidungen. Aber erst mal ist ja noch Wahlkampf.

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