Schills Schatten auf der Hamburger Polizei

Der rechtspopulistische Innensenator hat in seiner Amtszeit einige Beamte gefördert, die noch heute hohe Positionen bekleiden

  • Gaston Kirsche, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Bürgerschaftswahlkampf 2001 versprach Ronald Schill, er werde die »Kriminalität in Hamburg innerhalb von 100 Tagen halbieren«. Zudem wollte er sofort »2000 neue Polizisten einstellen«. Um straffällig gewordene Jugendliche wegzusperren, würde er 200 Plätze in einer geschlossenen Unterbringung schaffen. Nachdem Schill am 31. Oktober als Innensenator der CDU-Schill-FDP-Koalition vereidigt worden war, versuchte er zügig, seine Vorhaben umzusetzen. Statt 2000 konnte er in seinem ersten Amtsjahr aber nur 500 neue Polizisten einstellen. In der geschlossenen Einrichtung Feuerbergstraße wurden lediglich zwölf Plätze für einzusperrende Jugendliche eingerichtet. Aber die Richtung war klar: Repression statt Sozialarbeit, Bestrafung statt Erziehung.

Schill orderte blaue statt grüne Polizeiuniformen. Er handelte mit der Niederlassung von Harley-Davidson die kostenfreie Lieferung von 20 schweren Motorrädern für die Polizei aus – für eine einjährige Erprobung. Den Hamburger Hauptbahnhof mitsamt den Vorplätzen ließ Schill mit klassischer Musik beschallen, um Drogenabhängige von dort zu vertreiben. Die sind nicht mehr am Hauptbahnhof, sondern ein paar Straßenecken weiter in einem kleinen Park vor der großen Drogenhilfseinrichtung »Drob Inn«, wo sie sich unter Aufsicht Drogen spritzen und Suchthilfeangebote erhalten können.

Doch es blieb nicht bei Symbolpolitik. »Die ersten beiden Maßnahmen, die Schill als Innensenator ergriff, waren die Auflösung der unabhängigen Polizeikommission, die als Konsequenz aus dem Hamburger Polizeiskandal gebildet worden war, und die Absetzung der ersten und einzigen Ausländerbeauftragten Hamburgs«, erinnert sich die Hamburger Linke-Politikerin Christiane Schneider im Gespräch mit dem »nd«. Beim Hamburger Polizeiskandal ging es um Vorwürfe wie Scheinhinrichtungen von Festgenommenen.

Hamburger Polizei setzt auf Repression

Schill protegierte Polizisten, die auf Repressionen setzten. Dazu hatte er in seiner Amtszeit von 2001 bis 2003 viele Gelegenheiten. »2001 berief er Hartmut Dudde zum Leiter der Bereitschaftspolizei und den bayerischen Kriminaldirektor und Hardliner Udo Nagel zum Polizeipräsidenten. Das waren zwei nachhaltig wirkende Entscheidungen, die den bis heute geltenden, besonders autoritären und repressiven Kurs der Hamburger Polizei begründen«, so Christiane Schneider. »Man muss wissen, dass 2003 drei Viertel der Hamburger Polizeiführung in Pension gingen. Die Nachbesetzungen fallen in die Zeit Schills. Dudde und Nagel sind nur die Spitze eines Eisbergs. Die unter Schill, Nagel, Dudde sozialisierten Polizeiführer setzen den Kurs bis heute fort. Liberalere Polizeibeamte wurden und werden bis heute immer wieder aussortiert und strafversetzt.«

Der von Schill geförderte Udo Nagel wurde 2004, nachdem die Schill-Partei nicht mehr im Senat vertreten war, von der dann allein regierenden CDU zum neuen Innensenator ernannt. Neuer Polizeipräsident wurde Werner Jantosch. Unter dem Innensenator Schill kam Jantosch in den Präsidialstab der Polizeiführung und wurde 2003 Polizei-Vizepräsident. Den damaligen Polizeipräsidenten Nagel kannte Jantosch seit den 80er Jahren aus einem Führungskräfteseminar an der Polizeiakademie Hiltrup.

Werner Jantosch setzte ab 2004 den Kurs Udo Nagels fort. Im August 2010 wurde ein anonymer Brief mehrerer Polizeiführer der mittleren Ebene gegen die Führungsriege der Polizei öffentlich. »In Sorge um die Polizei in Hamburg« warfen sie Polizeipräsident Jantosch einen diktatorischen Führungsstil vor. Außerdem würden die Polizeidirektoren Kuno Lehmann und Peter Born in »Schillscher Tradition« ein »Kartell des Schweigens« in der Polizei bilden. In der Polizeiführung gebe es weder »Nachdenklichkeit noch Selbstkritik – geschweige Änderungsbereitschaft«, hieß es in dem Brief, den die »Hamburger Morgenpost« zugeschickt bekam. Die Polizeiführer Kuno Lehmann und Peter Born waren bis 2014 im Amt.

Nachfolger von Peter Born als Gesamteinsatzleiter der Hamburger Polizei wurde Hartmut Dudde, der vorher gut mit ihm zusammengearbeitet hatte, etwa bei der Ausrufung der Gefahrengebiete in St. Pauli und dem Schanzenviertel 2013 oder der Zerschlagung einer großen Demonstration für das Autonome Zentrum Rote Flora am 21. Dezember 2013.

Ein Vertrauter von Dudde ist Polizeipräsident Ralf Meyer, der auf Werner Jantosch folgte und bis 2010 Polizeipressesprecher war. Seit April 2016 war Dudde als Gesamteinsatzleiter der Polizei beim G20-Gipfel in Hamburg 2017 eingesetzt. Die Strategie der eskalierenden Polizeigewalt wurde so von einem Leitenden Polizeidirektor konzipiert und geleitet und von einem Polizeipräsidenten verantwortet und gedeckt, deren Karrieren zeitweise vom rechtspopulistischen Innensenator Schill gefördert wurden. Im Mai 2018 wurde Dudde zum Chef der Hamburger Schutzpolizei ernannt. Die Polizeigewalt beim G20-Gipfel war der Karriere in Hamburgs Polizeiführung eher förderlich als hinderlich.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.