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Konservative verhindern Transparenz

Daniel Freund (Grüne) über eine neue EU-Kontrollbehörde für Lobbykontakte und den Widerstand der EVP

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 5 Min.

Das EU-Parlament hat vor Kurzem der Gründung einer Ethikbehörde zugestimmt, die zukünftig Abgeordnete und Kommissare kontrollieren soll. Worum geht es da genau?

Sowohl im Parlament als auch in der Kommission gelten eigentlich relativ strenge Regeln, was Nebentätigkeiten und Nebeneinkünfte angeht. Auch für den Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft gibt es klare Vorgaben. Allerdings kommt es immer wieder zu Skandalen, weil die Regeln nicht richtig durchgesetzt werden.
Interview
Daniel Freund ist Mitglied der Fraktion Grüne/ EFA im EU-Parlament und war Berichterstatter für die neue Ethikbehörde zur besseren Kontrolle von Abgeordneten und Kommission. Mit ihm sprach für »nd« in Brüssel Fabian Lambeck.

Also mangelt es an Kontrolle?

Ja. Die Kontrollen sind lasch und selbst wenn eine verbotene Nebentätigkeit bekannt wird, bleiben die Strafen aus. Wir hatten im Parlament mindestens 24 Fälle, wo Regelverstöße ans Licht kamen. In keinem dieser Fälle wurden die Abgeordneten sanktioniert.

Warum kamen die Abgeordneten bislang ungeschoren davon?

Weil sich die Institutionen selbst kontrollieren. Also die Überwachung der Verhaltensregeln für Abgeordnete wird von Abgeordneten gemacht. Die Kommissare kontrollieren sich gegenseitig und die aktuellen Kommissare kontrollieren ihre Vorgänger. Deshalb gibt es keinen Anreiz, die Regeln auch scharf durchzusetzen. Man könnte ja irgendwann selbst betroffen sein. Es gibt auch für die Abgeordneten keinen Anreiz, sich an die Regeln zu halten. Eigentlich müssen die Parlamentarier ihre Nebentätigkeiten offenlegen. Wer diese Nebenjobs bislang verheimlichte, hatte keine Strafe zu erwarten. Diese falschen Anreize wollen wir mit dem neuen Gremium beseitigen.

Kommission und Parlament schicken in die neue Behörde jeweils drei Mitglieder. Besteht damit nicht auch weiterhin das Problem, dass sich die Kontrollierten selbst kontrollieren?

Wir haben klar gesagt, dass in diesem Gremium keine aktuellen Abgeordneten und Kommissare sitzen sollen. Allein dass wir hier ein Gremium schaffen, in dem Abgesandte aus beiden Institutionen sitzen, wobei keine der beiden Seiten eine Mehrheit hat, schafft mehr Transparenz. Wir wollen da hauptsächlich Richterinnen und Richter oder Leute vom Rechnungshof. Dadurch wird das Gremium auch unabhängiger.

Wie entscheidet das Gremium: per Mehrheitsbeschluss oder gilt Einstimmigkeit und somit ein Vetorecht?

Es reicht, wenn fünf von neun Mitgliedern entscheiden, dass hier ein Verstoß vorliegt und Sanktionen verhängt werden sollen. Das EU-Ethikgremium kann für Regelverletzungen öffentlich Sanktionen empfehlen, bei Abgeordneten sind das bis 20 000 Euro Geldstrafe oder Entzug von Schlüsselpositionen im Parlament. In der EU-Kommission kann gar eine Frühpensionierung und die Kürzung von Pensionsrechten erzwungen werden, falls die Kontrollbehörde dies für nötig hält.

Wie wird das Gremium auf verdächtige Fälle aufmerksam? Recherchiert die Behörde selbst oder können auch Whistleblower melden, wenn ein Abgeordneter nebenbei für eine Ölfirma oder eine Investmentbank tätig ist?

Alles soll möglich sein. Die Behörde kann von sich aus aktiv werden, aber auch Whistleblower können künftig Tipps geben. Natürlich können sich auch die Abgeordneten selbst an die Behörde wenden und prüfen lassen, ob etwa eine Nebentätigkeit mit den Regeln vereinbar ist.

Grüne, Linke, Liberale: Das Europaparlament hat den Vorstoß mit großer Mehrheit verabschiedet. Nur die konservative EVP-Fraktion hat sich enthalten. Fürchten die Christdemokraten eine strengere Kontrolle?

Die Konservativen waren und sind gegen das Gremium. Die wollen nicht, dass die bestehenden Regeln endlich durchgesetzt werden und mehr Lobbytransparenz herrscht. Die EVP hat die Verhandlungen um die neue Behörde an jedem Punkt ausgebremst. Die Änderungsanträge der EVP im Ausschuss sollten meinen Vorschlag Paragraf für Paragraf löschen. Damit konnten sie sich nicht durchsetzen. Bei der Abstimmung im Ausschuss votierten sie noch gegen den Entwurf. Offenbar wurde den Verantwortlichen aber bewusst, dass das kurz vor der Bundestagswahl kein gutes Signal sendet, wenn man dagegen stimmt. Deshalb hat sich die EVP bei der Abstimmung im Parlament enthalten.

Sie haben lange Zeit für Transparency International die Brüsseler Lobbyisten-Szene beobachtet. Sind die EU-Institutionen anfälliger für Lobbyismus? Ist Brüssel tatsächlich ein »Paradies für Lobbyisten«, die hier ungehindert Zugang zu allen Entscheidungsträgern haben?

Brüssel ist unbestreitbar die Hauptstadt des Lobbyings. Es gibt hier mehr Lobbyisten als in jeder anderen europäischen Stadt. Hier werden ja auch die Regeln gemacht für einen Binnenmarkt von 450 Millionen Europäerinnen und Europäern. Da ist natürlich das Interesse von Unternehmen groß, auf diese Regeln Einfluss zu nehmen. Aber es ist schon auch so, dass die Regeln hier viel strenger sind als etwa in Deutschland. In Sachen Transparenz ist Brüssel weiter.

Allerdings zeigt die Transparenz, dass es riesige Ungleichgewichte gibt. Etwa im Digitalbereich, wo in den vergangenen Jahren die Regeln für soziale Netzwerke und den Datenschutz überarbeitet wurden. Hier sind die Lobbyisten der Konzerne wie Google, Facebook oder Amazon in der Übermacht.

Und darin liegt die Gefahr: Wenn 90 Prozent der Lobbying-Treffen der EU-Kommission von Abgesandten der Digitalkonzerne bestritten werden, spiegelt sich das auch in der Gesetzgebung wider. Hier muss sich etwas ändern. Transparenz ist nur der erste Schritt. Zukünftig muss die Kommission etwa Daten- und Verbraucherschutzorganisationen deutlich mehr zu Wort kommen lassen.

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