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Tarife sind Sondierungsthema
Klinikstreik in Berlin geht in die vierte Woche, Politik signalisiert mehr Aktivität
»Sie haben es ausgesessen«, ärgert sich Krankenpfleger Markus F. gegenüber »nd«. Seinen ganzen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen. Der Charité-Mitarbeiter gehört zu den Klinikbeschäftigten, die am Montag seit vier Wochen im Ausstand sind, um bessere Arbeitsbedingungen in den Berliner Krankenhäusern zu erstreiken.
»Gleichzeitig versucht man, uns Sand in die Augen zu streuen, indem man sagt, die Klinikleitungen würden in Tarifverhandlungen nicht den Vorgaben des Senats folgen«, so F. »Aber die Geschäftsführungen agieren auch deshalb so unangebracht hart, weil sie von übertariflichen Gehältern profitieren und deshalb das Lohndumping des Senats verteidigen«, sagt der Krankenpfleger.
Ein Vorwurf der Streikenden lautet daher auch: Bruch des rot-rot-grünen Koalitionsvertrags der letzten Legislatur. Denn im Grunde standen ihre Forderungen in der Vereinbarung der Berliner Regierungskoalition aus dem Jahr 2016. Darin hieß es, die Koalition setze sich dafür ein, dass in Landesunternehmen zügig Tarifverträge abgeschlossen werden – mit dem Ziel der Angleichung an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes (TVöD). Es stand auch geschrieben: Der Senat sei sich seiner Investitionsverpflichtung bewusst.
Nicht nur dieser Teil des Koalitionsvertrags wartete vergeblich auf seine Umsetzung: Im Dezember 2018 beschloss das Berliner Abgeordnetenhaus darüber hinaus für Vivantes »eine Tarifstruktur in allen Konzernteilen inklusive einer Gleichbezahlung aller Beschäftigten«. Abweichende Regelungen zum Mutterkonzern, »seien auszuschließen«, hieß es darin. Aber an genau diesem Punkt stocken die Verhandlungen sagt Verdi-Verhandlungsführer Ivo Garbe. »Wir erwarten, dass den vielen Beschlüssen nun Taten und die konkrete Ausfinanzierung durch den Senat folgen.«
Entgegen vieler Erwartungen sind die Tarifverhandlungen nicht vor den Wahlen am 26. September zum Abschluss gekommen. Kurz zuvor hatte Bettina Jarasch, Spitzenkandidatin der Grünen, den Koalitionspartner SPD in Person von Franziska Giffey noch scharf angegriffen. Es handele sich um Heuchelei, erklärte Jarasch in der RBB-Wahlarena gegenüber einer Hebamme. Es seien SPD-Finanzsenatoren gewesen, die Unternehmensberater von McKinsey zu Vivantes geschickt hätten, um beim Personal einzusparen. Mit Matthias Kollatz habe nun wieder ein SPD-Finanzsenator gesagt: »Verhandeln ja, Geld nein.« Die Klinikleitungen könnten aber ohne zusätzliches Geld vom Senat überhaupt nicht erfolgreich verhandeln.
Franziska Giffey, SPD-Landesvorsitzende, erklärte gegenüber »nd«, die Krankenhausfinanzierung sei nun Thema in den Sondierungsgesprächen mit allen Parteien. Sie habe vorgeschlagen, dass Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) im Konflikt vermittle.
Sylvia Bayram von der Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht sieht das kritisch: Der Tarifabschluss nach dem Vorbild Platzeck habe bei der Charité-Tochter CFM gezeigt, dass unter seiner Schlichtung das Ziel »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit« unterlaufen wurde. Der Schritt werde deshalb auch eher als Kampfansage wahrgenommen.
Tobias Schulze von der Linkspartei räumt gegenüber »nd« ein, dass die Investitionen für die Berliner Krankenhäuser in der vergangenen Legislaturperiode zwar gesteigert wurden, für eine Ausfinanzierung aber nicht ausreichten. Die Linke wolle in den kommenden fünf Jahren weitere 100 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Dies habe Priorität in Koalitionsverhandlungen.
»Man nimmt uns in den Verhandlungen nicht ernst. Die Angebote der Arbeitgeber verschlechtern die Situation sogar noch«, erklären demgegenüber 60 Streikende von Vivantes und Charité in einer Videobotschaft. Sie fordern die Anwendung des TVöD bei den Töchtern der Vivantes GmbH und einen Tarifvertrag Entlastung bei Charité und Vivantes. Für Montag um 18 Uhr ruft die Bewegung zu einer Online-Versammlung auf. Sie will damit die nächste Stufe zünden: die Mobilisierung der Berliner Bevölkerung.
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