Unsere Toten in Afghanistan

Für Christian Klemm hat der Westen eine Mitschuld an den verhungerten Kindern am Hindukusch

Die Lage ist verheerend: Dutzende Kinder sind in jüngster Vergangenheit in Afghanistan verhungert. Insgesamt ist nach Angaben der Vereinten Nationen ein Drittel der örtlichen Bevölkerung von Hunger bedroht. Ohne humanitäre Hilfe wird die Hälfte der unter Fünfjährigen im kommenden Jahr an Hunger leiden. Doch wer sich nun von den ersten Hungertoten überrascht gibt, der hat sich entweder in den vergangenen Jahren nicht mit der Entwicklung vor Ort beschäftigt oder er lügt. Denn die Katastrophe hat sich angekündigt. Zuletzt schlug die Welthungerhilfe Mitte August Alarm: Am Hindukusch hätten rund 18,4 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Experten warnten, dass sowohl durch die Dürre als auch die anhaltenden Kämpfe die diesjährige Ernte gering ausfallen würde.

Zu tragen haben diese Situation vor allem Frauen: Sie leben als Witwen oft allein mit ihren Kindern, je nachdem, was die örtlichen Machthaber anordnen, ist es für diese Frauen schwierig, das Haus zu verlassen. Viele wissen nicht, wie sie Essen bezahlen sollen oder können wegen großer Entfernungen den nächsten Markt nicht erreichen. Staatliche Hilfen und Lebensmittelverteilungen durch die Vereinten Nationen sind für viele Dörfer eingestellt worden.

Seit rund 20 Jahren ist die Bevölkerung Afghanistans um fast 50 Prozent auf geschätzte 39,8 Millionen gewachsen. Gleichzeitig kann die eigene Nahrungsmittelproduktion diesen Anstieg nicht ansatzweise decken. Das ist den westlichen Staaten bewusst. Schließlich haben sich ihre Soldaten, Diplomaten und Politiker zwei Jahrzehnte lang vor Ort herumgetrieben. Wenn jetzt also Menschen den Hungertot sterben, dann sind die Nato-Länder dafür mit verantwortlich. Die Toten Afghanistans sind auch unsere Toten.

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