Weder Job noch Impfangebot

Ausbeutung migrantischer Arbeitskräfte wird durch die Coronakrise verstärkt

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Sie arbeiten in der Fischerei, auf Plantagen, im Haushalt, auf dem Bau, als Reinigungskräfte oder im Wachschutz: Migrantische Arbeitskräfte sind aus Thailands Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Sie machen nach jüngsten Schätzungen rund 3,5 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, wie das Portal »Thailand Business News« Anfang Juli veröffentlichte.

Die meisten Migrant*innen - laut verschiedenen Quellen um die 80 Prozent - stammen aus dem westlich benachbarten Myanmar. Doch auch aus Kambodscha und Laos, wo es ein ähnliches Wohlstandsgefälle gibt, verdingen sich seit jeher zahlreiche Menschen in harten und schlecht bezahlten Jobs. Die Ausbeutung billiger Arbeitskraft wird in Kauf genommen, auch weil am Ende der Woche immerhin genügend Geld für regelmäßige Überweisungen in die Heimat übrig bleibt. Neu ist die Situation nicht, aber selten ging es den Arbeitsmigrant*innen so schlecht wie jetzt: Die Pandemie bremst die Wirtschaft, lässt somit die Nachfrage nach ihrer Arbeitskraft sinken. Wer nicht gleich den Job verliert, muss zumindest Einschnitte beim ohnehin geringen Lohn hinnehmen. Hinzu kommen der nicht immer legale Status, fehlende Versicherungen sowie Arbeits- und Lebensbedingungen mit erhöhtem Infektionsrisiko. Auch migrantische Hilfsprojekte und Selbstorganisation geraten in Schieflage, weil Spenden wegbrechen.

»Migranten sind Helden des Alltags, die selbst in der Pandemie einen wichtigen Beitrag für die Wirtschaft leisten. Sie sollten deshalb gleichberechtigt in nationale Covid-19-Impfpläne aufgenommen werden«, hatte die Internationale Organisation für Migration (IOM) über ihre Niederlassung in Kambodscha bereits im Februar an die Regierungen Südostasiens appelliert.

In Thailand kann von einem gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen bis heute keine Rede sein. »Um eine Herdenimmunität aufzubauen, dürfen wir Thais und Ausländer nicht separieren«, wurde zwar schon im Mai die Direktorin der Gesundheitsverwaltung in der Hauptstadt Bangkok, Panruedee Manomaipiboon, von der Zeitung »Chiang Rai Times« zitiert. Zugleich machte sie aber deutlich, dass Einheimische zunächst Vorrang in der Impfkampagne hätten.

Ende August hatte das Magazin »Eleven Myanmar« berichtet, dass in der thailändischen Grenzstadt Mae Sot binnen weniger Tage 5000 Impfdosen an Arbeitsmigrant*innen aus dem Nachbarland verabreicht wurden. Nicht nur, dass dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist - es handelte sich auch keineswegs um eine staatliche Maßnahme, sondern um ein Hilfsprojekt in Kooperation einer Stiftung mit der örtlichen Industrie- und Handelskammer der Provinz Tak, zu der Mae Sot gehört.

In der Stadt und der Region hatte es in den zurückliegenden Wochen steigende Infektionszahlen gegeben, vor allem in den Fabriken mit hohem Anteil migrantischer Arbeitskräfte. Über die Provinz wurde im Juli ein Lockdown verhängt, seit Anfang August gibt es aber eine Ausnahmeregelung für Migrant*innen aus dem nahen Myanmar, die über die Freundschaftsbrücke am Grenzübergang Tarchilek ein- und ausreisen.

Es ist die Enge in den Sammelunterkünften und teilweise auch am Arbeitsplatz, die das Ansteckungsrisiko in dieser Gruppe besonders hochtreibt. 2020 war Thailand mit lediglich knapp 5000 Infizierten geradezu vorbildlich durch das erste Pandemiejahr gekommen. Doch als sich kurz vor Jahreswechsel von einem Fischmarkt in der Nähe Bangkoks aus eine weitere Welle lokaler Ansteckungen auszubreiten begann, entluden sich in den digitalen Netzwerken und auf der Straße Hasskommentare gegenüber den am Ausbruch mutmaßlich »schuldigen« Migrant*innen. Die könne man aber nicht verantwortlich machen für die Umstände, unter denen sie lebten und die eine Weiterverbreitung des Virus förderten, warnte Brahm Press, Direktor der MAP Foundation, gegenüber der Deutschen Welle. »Impfungen sind die einzige Lösung«, appellierte der Chef der Organisation, die sich für migrantische Grundrechte einsetzt, nun kürzlich via »Al Jazeera«. Die wenigsten Migrant*innen hätten über ihre Arbeitgeber Zugang zu Impfstoffen.

Um zumindest offizielle Angaben zur Zahl der Migrant*innen zu haben, ist Thailand seit Beginn dieses Jahres bestrebt, illegalisierten Beschäftigten mit einem Sonderprogramm einen bis maximal 2023 befristeten Aufenthaltsstatus zu verschaffen. Für die Maßnahmen zur Corona-Eindämmung ein wichtiger Schritt. Gegen Jobverluste und damit wegfallende Löhne half das wenig, ebenso wenig verschaffte es gleichberechtigten Zugang zu Impfstoffen. Die Forderungen danach werden aber lauter, zumal die Gesamtzahl der Infizierten inzwischen auf 1,5 Millionen gestiegen ist.

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