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Die Ampel, der neue Klassenkompromiss
Warum eine Regierung aus SPD, Grünen und FDP niemandem weh tut. Schon gar nicht dem Kapital
Was ging das Selfie letzte Woche durch die (sozialen) Medien: Annalena Baerbock, Robert Habeck, Christian Lindner und Volker Wissing grinsten nach ihrem ersten Sondierungsgespräch gemeinsam in die Kamera nach dem Motto »Es wächst zusammen, was zusammengehört«. Sie sind die Personifizierung des in Realpolitik aufgehobenen Widerspruchs. Tempolimit – ja oder nein? Steuersenkung oder Vermögensteuer? Egal! Hauptsache regieren!
Wem spätestens am Mittwoch klargeworden sein müsste, dass er nicht mitspielen ... äh... regieren darf, ist Armin Laschet und seine Union. Denn Grüne und FDP sprachen sich nun für Sondierungen mit der SPD aus. So hat mittlerweile wohl auch Christian Lindner mehr Bock, mit einer SPD à la Olaf Scholz zu regieren als mit einer Union, die wirkt wie ein in der Identitätskrise steckender Teenager, dem seine Mutti gerade klar gemacht hat, dass er irgendwann auch mal auf eigenen Beinen stehen muss.
So wird die neue Ampel aus Sozialdemokrat*innen, Grünen und Liberalen der neue Klassenkompromiss. Schließlich ist es die Koalition, mit der sich dann doch die meisten anfreunden können. Nachdem sich mit IG-Metall-Chef Jörg Hofmann bereits Anfang vergangener Woche ein wichtiger Gewerkschafter für eine Ampel ausgesprochen hat, melden sich nun auch vermehrt Vertreter*innen aus dem Unternehmenslager zu Wort, die dies angesichts der Kräfteergebnisse für keine so schlechte Idee halten.
»Inzwischen bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass eine Ampel die bessere Lösung ist«, verlautbart etwa der Präsident des Maschinenbauerverbandes VDMA, Karl Haeusgen, in der »Wirtschaftswoche«. Die Union habe in einem solchen Umfang verloren, dass die Legitimation für das Kanzleramt und das Führen einer Regierung nicht mehr gegeben sei. Und eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des bereits erwähnten Wirtschaftsmagazins unter Manager*innen ergab, dass 45 Prozent für eine Ampel sind, während nur 30 Prozent der befragten Führungskräfte eine Jamaika-Koalition unter Armin Laschet präferieren.
Die Frage ist nur, was bei einem Bündnis aus SPD, Grünen und FDP für den Großteil der Gesellschaft herauskommt. Kommt nun der soziale Kahlschlag oder die sozialpolitische Wende? Vermutlich weder noch.
Es wird ein komischer Mix aus teils neoliberalen und teils sozial progressiven Maßnahmen kommen, der niemandem sonderlich weh und möglichst alle zufriedenstellen soll. Und oben drauf soll noch das Klima möglichst schnell gerettet werden. So wird die SPD auf die Anhebung des Mindestlohns auf zwölf Euro pochen. Auf jeden Fall sollte sie das, will sie nicht noch einmal in ein Tief stürzen wie durch die Agenda 2010. Folglich sollte sie auch die FDP mit ihren Rentenplänen einhegen. Die wiederum wird ihre Steuersenkung kriegen, von der vor allem Besserverdienendende profitieren werden. Aber natürlich argumentativ sozial verpackt. »Denn davon würden auch viele Facharbeiter profitieren, für die ja auch die SPD steht«, wie der Maschinenbauer-Lobbyist Haeusgen sagt.
Gewerkschaften wie auch Unternehmensverbände werden happy sein, wenn der Staat Milliardeninvestitionen für die Digitalisierung und den Klimawandel tätigt. Schließlich stärkt das den Wirtschaftsstandort Deutschland und schafft Arbeitsplätze, wie es so schön heißt. Ohne Steuererhöhung müsste das zwar irgendwie kreditfinanziert werden, aber auch da bahnen sich bereits seit längerem Kompromisslinien an. Die schwarze Null sei nicht sein Ziel, sondern eine »Prestigefrage der Union«, blinkte FDP-Chef Christian Lindner bereits vor der Wahl Richtung SPD und Grüne. Und die Pläne, wie etwa mit Hilfe von Investitionsgesellschaften kreativ mit der Schuldenbremse umgegangen werden kann, liegen eh längst in den Schubladen.
Wirklich etwas gegen die Ungleichheit, steigende Mieten und andere soziale Probleme machen, wird eine Ampel-Koalition natürlich nicht. Denn dann müsste sie sich mit dem Kapital anlegen und wäre nicht mehr Everbody’s Darling. So bleibt die Ampel eben nur der kleinste gemeinsame Nenner, der Klassenkompromiss, auf den sich die meisten einigen können. Und mit Kompromissen werden Widersprüche bekanntermaßen meist nicht aufgehoben, sondern nur konserviert.
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