• Berlin
  • Wilde Streiks bei Gorillas

Mit Krachdemo gegen Kündigungen

Supermarkt-Lieferdienst Gorillas entlässt streikende Fahrradkuriere

  • Moritz Aschemeyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Protestierenden, die teilweise mit Masken des Gorillas-Firmenchefs Kağan Sümer verkleidet waren, haben Töpfe und Trillerpfeifen mitgebracht. Sie rufen Sprechchöre - auch ein Didgeridoo ertönte. Das Ziel vor der Firmenzentrale des Supermarkt-Lieferdienstes Gorillas in Prenzlauer Berg: möglichst viel Lärm zu erzeugen gegen den Kurs des Start-ups. Bereits seit vergangener Woche streiken Beschäftigte des Berliner Unternehmens an mehreren Standorten für bessere Arbeitsbedingungen. Es ist bereits die dritte Streikwelle in diesem Jahr. Die Forderungen, die die Rider genannten Kurierfahrer an das Unternehmen stellen, sind dieselben. Ein gleicher Lohn für alle von 12,50 Euro die Stunde, rechtzeitige und vollständige Auszahlung, sichere Arbeitsausstattung, bessere Kommunikation und ein Ende der Unterbesetzung.

»Über die letzten Monate ist es eigentlich noch schlimmer geworden«, sagt Jakob Pomeranzev, der als Rider arbeitet und sich im Gorillas Workers Collective (GWC) organisiert, einem Mitarbeiterkollektiv. »Eine App regelt mittlerweile die Schichtverteilung, jetzt kann man keine Schichten mehr tauschen. Auch sind die Schichten teilweise kürzer geworden oder liegen mitten am Tag«, erklärt Pomeranzev. Teilweise soll auch die gesetzliche Ruhezeit von elf Stunden unterschritten worden sein. Das würden Schichtpläne nahelegen. Auch bei der Verkehrssicherheit der Fahrräder hätte es bisher keine Verbesserung gegeben, so Pomeranzev.

Bei den letzten Ausständen im Juni hatte Unternehmer Kağan Sümer noch betont, er würde niemals jemanden feuern, der sich an Streiks beteilige. Dennoch bekamen viele Kuriere ihre Kündigung nun per Post. Ihnen wurden außerordentliche Kündigungen ausgesprochen. Auf dem Twitter-Account des GWC hieß es am Dienstag, quasi die gesamte Belegschaft der drei zuletzt bestreikten Standorte sei entlassen worden. Als Begründung wird in den Schreiben, die »nd« vorliegen, von einem »wichtigen Grund« gesprochen. »Anstatt auf unsere Forderungen nach sicheren Arbeitsbedingungen einzugehen, hat man uns vorgeworfen, Notausgänge blockiert zu haben«, sagt Duygu Kaya zu »nd«. Die 33-Jährige hatte vor ihrer Kündigung am Standort Bergmannkiez in Kreuzberg gearbeitet. »Teils haben die Angestellten Anrufe von privaten Nummern bekommen, in denen ihnen gekündigt wurde, sobald sie zugaben, an den Streiks beteiligt gewesen zu sein.« Das Management sieht die wilden Streiks offenbar als rechtswidrig an. Die Rider hingegen verweisen auf die Europäische Sozialcharta, die ein umfassenderes Streikrecht vorsieht als die gängige deutsche Rechtsprechung.

Für den Jakob Pomeranzev vom GWC steht fest: »Das ist Union Busting. Sie haben explizit diejenigen gefeuert, die während der Streiks zur Arbeit eingeteilt waren.« Erst kürzlich haben zudem alle Angestellten im operativen Geschäft Überleitungsverträge zu einer Tochterfirma bekommen. »Es ist eine Möglichkeit, dass dadurch die anstehende Betriebsratswahl torpediert werden soll«, mutmaßt er.

Die Zurückweisung der Kündigungen wollten die Kuriere am Mittwoch dem Management übergeben, das sich jedoch nicht blicken ließ. In der Folge verkündeten mehrere Kuriere symbolisch die Entlassung von Gorillas-Chef Sümer. Gorillas ist derweil weiter auf Expansionskurs. Zuletzt stieg der Branchenriese Delivery Hero bei dem Unternehmen ein, die Bewertung von Gorillas soll Medienberichten zufolge bei rund drei Milliarden Dollar liegen. Aufmüpfige Beschäftigte könnten im stark umkämpften Markt der Lieferdienste für das Start-up auch in Zukunft einen Störfaktor darstellen.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -