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Sicherlich ohne Klimagerechtigkeit
Eine Ampel-Koalition könnte »grünen« Kapitalismus bringen, aber längst nicht die Lösung der drängenden Probleme unter einer Ampel-Koalition
Der Wahlabend könnte sich als historischer Moment erweisen. Als Grüne und FDP ankündigten, die Regierungsbildung zunächst unter sich ausmachen zu wollen, drängte sich ein Eindruck auf: Hier kommt der »grüne« Kapitalismus made in Germany. Die strukturkonservativen, in mehrfachem Sinne fossilen Parteien der einst großen Koalition spielen trotz des schmeichelhaften SPD-Wahlsiegs nur noch die zweite Geige.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Ein »grüner« Kapitalismus wird nicht plötzlich die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Widersprüche des fossilen Kapitalismus auflösen, die Klimakrise aufhalten und nachhaltigen Wohlstand für alle bieten. Es ist ein systematischerer Versuch, die Krisen durch großflächige technische und regulatorische Umstellungen zu bearbeiten. Dabei wird sich die Abhängigkeit der Wachstumswirtschaft von fossilen Brennstoffen fortsetzen, die von anderen Rohstoffen sogar intensivieren.
Dennoch steht die Klimabewegung in Deutschland jetzt vor einer neuen Situation: Nach Jahren des Anrennens gegen eine unnachgiebige Regierung hat sie erheblich dazu beigetragen, auch das politische Gefüge in Bewegung zu bringen. Aber Menschen machen Geschichte immer noch nicht unter selbst gewählten Umständen. Wenn soziale Bewegungen wirksam werden, heißt das noch nicht, dass sie bekommen, was sie wollen. So ermöglichte die Klimabewegung zunächst – teils unfreiwillig – den politischen Kräften, die den Kapitalismus ökologisch modernisieren möchten, sich gegenüber denjenigen durchzusetzen, die sich am Fossilen festklammern. Statt eines radikalen sozial-ökologischen Systemwandels und globaler Klimagerechtigkeit steht jetzt wohl erst einmal eine solche Modernisierung in einem standortnationalistischen Rahmen an: Deutschland soll »grüner« Exportweltmeister werden. Soziale und ökologische Kosten werden weiter in andere Weltregionen abgewälzt, wo etwa die Ressourcen für »grüne« Technologien gefördert werden.
Die Klimagerechtigkeitsbewegung als Geburtshelferin eines »grünen« Kapitalismus? Das mag ironisch klingen, ist aber unter den derzeitigen Kräfteverhältnissen eine erwartbare Entwicklung. Auf diesem veränderten Spielfeld gehen die Auseinandersetzungen weiter, mit offenem Ausgang. Jeder durch die neue Regierung geförderte technologische Umbau wird Gewinner*innen und Verlierer*innen produzieren und Konflikte bedeuten – im Inland und global.
Für die Klimabewegung wird es zunehmend darum gehen, auch die Scheinlösungen und Problemverschiebungen des »grünen« Kapitalismus zu problematisieren. Diese werden in Fachkreisen schon lange kontrovers diskutiert. Doch erst jetzt, da der »grüne« Kapitalismus immer mehr vom Konzept zur – tief widersprüchlichen – Realität wird, beginnen breitere gesellschaftliche Auseinandersetzungen, wie die kürzlich aus der Nische gesprungene Mobilitätswende-Debatte zeigt. Und erst in neuen Infrastrukturen wie der ikonischen Tesla-Gigafactory vor den Toren Berlins materialisieren sich Reibungsflächen, an denen sich die Bewegung praktisch abarbeiten kann.
Es wird so immer wichtiger, nicht nur quantitativ »mehr Klimaschutz« zu fordern – davon dürfte eine Ampel-Koalition etwas liefern, wenn auch längst nicht in der notwendigen Konsequenz. Es geht um echte Klimagerechtigkeit. Das meint nicht nur kurzfristigen sozialen Ausgleich in der notorischen Kostenverteilungsfrage, sondern auch eine längerfristige, nicht bloß technische Transformation des Wirtschaftssystems – von Profit- zu Bedürfnisorientierung. Es bedeutet globale Gerechtigkeit anstelle neokolonialer Beziehungen in Ressourcen-, Handels- und Klimapolitik. Klimagerechtigkeit ist der Gegenpol zu autoritären, patriarchalen und rassistischen Reaktionen auf soziale und ökologische Krisen und zu den damit verbundenen Abschottungspraxen.
Der nächste Kristallisationspunkt dafür werden die »Gerechtigkeit-jetzt«-Aktionstage zu den Koalitionsverhandlungen in Berlin. Rund um den Klimastreik am 22. Oktober kommen hier verschiedene soziale Bewegungen mit ihren unterschiedlichen Protestformen zusammen – fest entschlossen, sich nicht gegeneinander ausspielen zu lassen und gemeinsam für einen echten Systemwandel zu kämpfen. Geräuschlos wird der »grüne« Kapitalismus nicht Einzug halten.
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