• Berlin
  • Tarifkampf an der Berliner Charité

Klarer Erfolg für die Beschäftigten

An der Charité einigen sich Gewerkschaft und Unternehmen auf Eckpunktepapier zur Entlastung

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 4 Min.

Unterschrift in der Morgendämmerung: Um sechs Uhr sei das Eckpunktepapier für einen Tarifvertrag mit dem Ziel der Entlastung der Beschäftigten zwischen Gewerkschaft und kommunalem Klinikbetrieb unterschrieben worden, erklärt Dana Lützkendorf, Intensivpflegekraft am Charité-Klinikum, einige Stunden später am Donnerstagmorgen im Garten des Friedrich-Althoff-Hauses am Campus Mitte. Man sah den hier Versammelten an, was für ein Kraftakt hinter ihnen liegt. Am erfolgreichen Ausgang hat auch die kämpferische Belegschaft des Krankenhauses großen Anteil, die mit großer Geschlossenheit zuletzt mit einem fast 30-tägigen Arbeitsausstand erreicht hat, dass ihren Forderungen Gehör geschenkt werden musste.

»Ich habe vor zehn Jahren beschlossen, dafür zu kämpfen, die Personalknappheit zu beenden«, sagt Dana Lützkendorf, die seit über 20 Jahren in ihrem Beruf tätig ist. Ihr Urteil zum Ergebnis der wochenlangen Verhandlungen und des nächtlichen Marathons war eindeutig: »Das ist der Tarifvertrag, der nun alles gut regelt«, zeigt sich die Verdi-Organisierte im Beisein weiterer Verdi-Verhandlungsführerinnen und Charité-Vertreter*innen absolut zufrieden. Dies hätten die Vereinbarungen vorhergegangener Tarifkämpfe bislang nicht vermocht, auch wenn es wichtige Schritte gewesen seien.
Auch Melanie Guba von Verdi betonte, man sei dem Ziel der nachhaltigen Entlastung der Beschäftigten einen großen Schritt näher gekommen. »Der Tarifvertrag wird einen Meilenstein der Entlastung setzen«, so Guba. Man sei mit der Forderung nach Mindestbesetzungsregeln für alle Bereiche, nach der Regelung eines Belastungsausgleichs sowie der Forderung nach der Verbesserung der Ausbildungsbedingungen in die Verhandlungen gegangen, und alle Forderungen seien in dem nun formulierten Papier berücksichtigt worden.

Carla Eysel, Charité-Vorständin für Personal und Pflege, zeigte sich »sehr zufrieden, dass wir bei den Eckpunkten ein gemeinsames Ergebnis erreicht haben.« Auch Eysel sprach von einem »Meilenstein« – im Zusammenhang mit der »Gesamtstrategie 2030«, die dafür sorgen soll, dass es an der Charité sowohl gelingt den Stellenanteil zu erhöhen als auch »verstärkt akademisierte Mitarbeitende aus den Gesundheitsfachberufen« zu gewinnen. »Wir wollen magnetisch wirken, damit mehr Menschen zu uns an die Charité kommen«, betonte Eysel. Dafür soll auch der in fünf Wochen ausformuliert vorliegende Tarifvertrag sorgen. Er umfasst drei Jahre Laufzeit. Mit neuen Besetzungsregelungen für bettenführende Stationen und Intensivstationen, aber auch für Operationssäle und Notaufnahmen werde es wesentliche Veränderungen im Verhältnis von Pflegekräften und Patient*innen geben, hieß es.

Immer wieder war im Arbeitskampf darauf verwiesen worden, dass der Normalzustand als Patientenwohlgefährdung anzusehen ist, wenn auf Intensivstationen eine Pflegekraft für bis zu vier Patient*innen zuständig sei und auf anderen Stationen im Nachtdienst zum Teil eine Pflegekraft bis zu 20 oder 30 Patient*innen zu betreuen habe.
Nun seien diese Schlüssel gemäß den Forderungen der Beschäftigten auf 1:1 im Intensivbereich und auf 1:10 beziehungsweise 1:17 angepasst worden, erläutert Dana Lützkendorf. Auch in den Kreißsälen werde eine auskömmliche Situation hergestellt, sodass es wieder möglich werde, dass eine Hebamme nur eine Frau bei der Geburt begleitet – von bis zu vier Frauen hatte zuletzt die Charité-Hebamme Aicheh El-Khatib gesprochen. Eine Kollegin El-Khatibs hatte noch am Dienstag in der Volksbühne erklärt, man habe allein von mittlerweile 250 freiberuflichen Hebammen die Zusage, sie würden als Angestellte in die landesweiten Kliniken zurückkehren, sobald sich dort die Arbeitsbedingungen änderten.

In den kommenden drei Jahren soll es überdies gelingen, mehr als 700 zusätzliche Mitarbeiter*innen in der Pflege einzustellen, sagte Carla Eysel. Ihnen könnte die Einführung eines sogenannten Sabbaticals wie auch das neue Ausgleichssystem für belastete Schichten zugutekommen. Für die Gewerkschafterin Melanie Guba stellt das Ergebnis nicht nur ein »umfassendes Tarifwerk« dar, sondern auch ein klares »Stopp, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann«.

Ob dieses Signal auch über die Charité hinaus ertönt, bleibt abzuwarten. Denn beim zweiten großen landeseigenen Klinikkonzern Vivantes hat sich in den vergangenen Wochen wenig bis gar nichts bewegt, sowohl bei der Forderung nach einem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für die Mitarbeiter*innen in den Tochterunternehmen als auch für einen Tarifvertrag Entlastung. Man stehe nun umso mehr hinter den Vivantes-Beschäftigten, sagt Verdi-Verteterin Susanne Feldkötter zu »nd«. »Ein Streik weniger bedeutet für uns, dass wir mehr Kraft für die anderen Arbeitskämpfe haben.«

Wenn die Tarifkommission das Ergebnis anerkennt, wird der Streik der Beschäftigten an der Charité umgehend ausgesetzt.

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