500 Nazis bei Trauermarsch

Zwischen Kitsch und Pathos wird »SS-Siggi« inszeniert

So viel rechte Prominenz wie Samstagmittag vor dem Dortmunder Hauptbahnhof versammelt sich sonst selten auf einem Fleck. Ihr Treffen hatte einen aus ihrer Sicht traurigen Grund. Am vergangenen Sonntag war Siegfried Borchardt gestorben. Der 67-jährige war über Jahrzehnte der Kopf der Neonazi-Szene in Dortmund. Er hatte in ganz Europa beste Verbindungen in der extremen Rechten.

Hauptorganisator des Trauermarsches war Alexander Deptolla. Der Dortmunder organisiert auch das rechte Kampfsportevent »Kampf der Nibelungen«. In seiner Begrüßungsrede nannte Deptolla Borchardt seinen »Mentor«. Erzählte, wie der alte Neonazi ihn und den restlichen Nachwuchs gegen Kritik verteidigte. Teilweise wurde Deptollas Ansprache schwülstig, etwa wenn er das stürmische Wetter an Borchardts Todeswochenende beschrieb. Mit Kitsch und Pathos zogen die Nazis dann auch los, aus Richard Wagners Nibelungen wurde, wie passend, »Siegfrieds Trauermarsch« gespielt. Dem Tross voran gingen Rechte mit Fackeln, einem Bild von Borchardt und zahlreichen Kränzen, unter anderem von den »Dortmund Hooligans« und ungarischen Faschisten.

Der rechte Tauermarsch zog dann, wie angekündigt, schweigend durch die Stadt bis in den Stadtteil Dorstfeld, den die Rechten für sich als »Nazi-Kiez« reklamieren. Entlang der Strecke protestierten in den meisten Seitenstraßen Antifaschisten gegen das Gedenken. Kim Schmidt, Pressesprecherin der Autonomen Antifa 170, zog ein positives Fazit zu den Protesten. Man habe »den Nazis nicht die Möglichkeit gegeben, in Ruhe einen Heldenmythos zu zelebrieren und einen rechten Gewalttäter ungestört zu feiern.«

Rund um die Nazi-Häuser in der Thusnelda- und Emscherstraße waren die Rechten dann für sich. An Borchardts letzter Wohnadresse lagen zahlreiche Blumen, Fotos, eine Flasche Schnaps, ein Schal der »Arischen Bruderschaft« und weitere Kränze. Unter anderem einer mit der Aufschrift »28 Schweiz«, dabei dürfte es sich um einen Kranz des in Deutschland verbotenen Nazi-Musiknetzwerks »Blood & Honour« handeln. Eine Totenehrung, die wieder zwischen Kitsch und Pathos schwankte, wurde von Thorsten Heise zelebriert. Heise gilt als einer der Drahtzieher des militanten Neonazismus in Deutschland. Er berichtete von Straßenschlachten mit Borchardt und zitierte ein leicht abgewandeltes Lied der Hitlerjugend.

Am frühen Samstagabend endete das Gedenken ohne Zwischenfälle. Von der Dortmunder Polizei heißt es, dass sie mit mehr Teilnehmern gerechnet habe. Dass lediglich 500 kamen, deutet sie als Zeichen für ihre erfolgreiche Strategie gegen Rechts. Abzuwarten bleibt, wie die Beerdigung von Siegfried Borchardt ablaufen wird. Eine ähnliche Teilnehmerzahl wie am Samstag scheint möglich. Auf der Internetplattform Paypal sammeln die Rechten noch Geld für Borchardts Beerdigung. Zahlreiche Nutzer von Sozialen Netzwerken beschwerten sich deshalb bei Paypal und fragten, wie es sein könne, dass die Finanzierung einer Nazi-Feier über die Plattform abgewickelt wird. Das Unternehmen antwortete bisher nicht. Auch eine entsprechende Anfrage des nd an die Pressestelle von Paypal blieb unbeantwortet. Wann die Beerdigung des bekanntesten Dortmunder Neonazis stattfindet, steht noch nicht fest.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!