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Das Geheimnis aus dem Wald
Frankreichs Fußballstars werden immer jünger - und eilen von Erfolg zu Erfolg
Der Staatspräsident beließ es bei einem simplen Glückwunsch an die französische Fußball-Nationalmannschaft. »Les Bleus, tout simplement!« twitterte Emmanuel Macron. »Die Blauen, ganz einfach!« Wer sonst sollte die Nations League gewinnen. Diesen Wettbewerb, der nach Portugal 2019 am Sonntagabend den aktuellen Weltmeister als seinen zweiten Gewinner hervorbrachte.
Nationaltrainer Didier Deschamps konnte man die Erleichterung nach dem gewonnenen Finale gegen Spanien (2:1) ansehen. Der 52-Jährige hat in Mailand seinen persönlichen Befreiungsschlag geschafft. Besonders die Comeback-Qualitäten seines Teams verblüfften wie schon beim 3:2-Halbfinalsieg gegen Belgien. Im lange etwas öden, weil taktisch geprägten Endspiel glückte erst dem 33-jährigen Karim Benzema ein wunderschönes Ausgleichstor, dann erzielte ausgerechnet der bei der Europameisterschaft noch zum Versager abgestempelte Kylian Mbappé den späten Siegtreffer für die Équipe Tricolore. »Die Geschichte wird weiter geschrieben«, schrieb der 22-jährige Superstar neben sein Instagram-Foto, auf dem er den Pokal küsste.
Eigentlich stand Mbappé beim Pass von Theo Hernández, dem jüngeren Bruder des Bayern-Spielers Lucas Hernandez, klar im Abseits. Da jedoch Spaniens Eric Garcia den Ball noch per Grätsche berührte, zählte der Treffer laut Regelwerk. Die Spanier konnten noch so sehr mit der Regelauslegung hadern - die Franzosen haben ein Ausrufezeichen für die WM 2022 in Katar gesetzt, die noch umstrittener als die besagte Abseitsregel ist. Frankreich ist über den Hauptstadtklub Paris St. Germain, Mbappés Arbeitgeber, wie keine andere europäische Nation mit den katarischen Geldgebern verbandelt.
Die Hoffnung auf eine Titelverteidigung in der Wüste wird schlicht von der Qualität der französischen Spieler gespeist. Mit Aurelien Tchouameni, 21, oder eben Theo Hernandez, 24, standen frische Gesichter in der Startelf, überdies kam Dayot Upamecano, 22, noch vor der Pause von der Bank. Deschamps ist also dabei, dem Weltmeister die »prochaine génération« zuzuführen. Er weiß, dass er die nächste Generation vorantreiben muss, weil das sture Festhalten an den Helden von 2018 schon bei der EM in die Sackgasse führte. Sein großer Vorteil ist, sich aus einem schier unerschöpflichen Reservoir an talentierten Jungspunden bedienen zu können.
Allein in der Bundesliga stehen derzeit 37 Franzosen unter Vertrag. Nur sieben davon sind älter als 25. Deutschland stellt für sie offenbar eine ideale Bühne zur Marktwertsteigerung dar. Mit Benjamin Pavard, Lucas Hernandez, Corentin Tolisso, Kingsley Coman und Upamecano beschäftigt allein der FC Bayern fünf aktuelle Nationalspieler.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) schaut derweil neidisch zu den Verbandskollegen im Nachbarland, die mit der zentralisierten Talentförderung beste Erfahrungen machen. Das Konzept dahinter heißt »Pré-formation«. Die Talente erhalten also eine Vorausbildung in dem Alter, in dem sie nachgewiesen motorisch am meisten lernen können. Fünf Tage in der Woche bleiben sie dafür in Clairefontaine, um zu trainieren und in die Schule zu gehen. Fast alle wittern in einem Waldstück ein ganzes Stück abseits von Paris die Chance ihres Lebens.
Frankreichs gesamtes Staatskonstrukt ist viel zentralisierter aufgebaut als das föderale deutsche. Daher weiß der DFB, dass dieses System nicht übertragbar ist. Dennoch hätten sich DFB-Direktor Oliver Bierhoff oder DFB-Akademieleiter Tobias Haupt bei ihrem »Projekt Zukunft« ein ganz anderes Tempo für den hiesigen Fußball gewünscht. Beide werden zwar nicht müde, die Dringlichkeit von Reformen anzumahnen, doch speziell die Landes- und Regionalverbände sperren sich gegen weitreichende Änderungen im Jugend- und Kinderfußball.
Am Sonntag hat der DFB nach der Konferenz mit deren Präsidenten in Hamburg wissen lassen, dass die noch offenen Fragen nun zwischen einer Arbeitsgruppe mit den Geschäftsführern der Landesverbände und dem Projektteam behandelt werden sollen. Ende Oktober sollen dann Entscheidungen fallen. Doch viel Zeit ist schon vergangen.
Mittel- und langfristig wird das Nachwuchsproblem daher auch der Nationalmannschaft auf die Füße fallen. Der Bundestrainer macht die komplexe Causa dennoch nicht zum Thema. Im Gegenteil: Hansi Flick stellt lieber heraus, dass unter ihm Karim Adeyemi, Florian Wirtz und Jamal Musiala bereits fest zur A-Nationalmannschaft gehören. Aus diesem Talentetrio hat noch keiner das 20. Lebensjahr erreicht. Der Beweis, dass sie wie Frankreichs Nachwuchsasse auch Titel gewinnen können, steht aber noch aus.
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