Notfalls per Vergesellschaftung

Berlin könnte bis 2035 seine Wärme klimaneutral erzeugen - wenn Versorger Vattenfall mitspielt

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn es um Klimaneutralität geht, ist die Wärmeversorgung ein entscheidender Knackpunkt, da Wärme bislang vor allem aus fossilen Energieträgern wie Kohle und Erdgas erzeugt wird und damit für fast die Hälfte der klimaschädlichen Emissionen in Berlin verantwortlich ist. Dass es auch anders gehen kann, zeigt nun eine neue Potenzialstudie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel, die vom Bündnis Kohleausstieg und Fridays for Future Berlin Anfang 2021 in Auftrag gegeben wurde. Laut der ist es technisch möglich, die Wärmeversorgung Berlins bis spätestens 2035 komplett CO2-neutral zu machen, erklärt Robert Egelkamp vom IEE am Dienstag bei der Vorstellung der Studienergebnisse.

Mach mal Vorreiter. Fast 40.000 Menschen wollen, dass die Hauptstadt bis 2030 klimaneutral wird

»Der Wärmebedarf wird durch energetische Sanierung perspektivisch sinken, aber man kann nicht jeden Wärmebedarf wegdämmen. Der Rest muss durch erneuerbare Energien zur Verfügung gestellt werden«, sagt Egelkamp. Besonderes Potenzial liege hier in der Fernwärmeversorgung durch das Berliner Umland. So könnten rund zehn Quadratkilometer Freiflächen im Umland für Solar-Energieparks genutzt und durch Wärmespeicher und -pumpen mit Berlin verbunden werden. Weitere Quellen wären die Abwärme aus Industrie und Rechenzentren, Geothermie, Erdsonden sowie Fluss- und Abwasserwärmepumpen. Einen geringeren Anteil könnte die Verwertung von Restmüll und Altholz in Heizkraftwerken leisten. »Heiß diskutiert ist natürlich das Thema Wasserstoff. Wir sehen eher einen geringen Einsatz von grünem Wasserstoff, da er gegenüber Wärmepumpen wenig effizient ist«, erklärt Egelkamp. Der Fokus müsse also auf Ab- und Umweltwärme liegen.

500 Millionen Euro für Klimafonds geplant. Die Berliner Grünen wollen im Falle einer Regierungsbeteiligung die Investitionen in der Hauptstadt radikal neu organisieren

Das Emissionsbudget für die Berliner Wärmeversorgung erlaube zwar den weiteren Einsatz fossiler Brennstoffe bis 2028, dann würde die Hauptstadt aber gegen das Pariser Klimaabkommen der 1,5-Grad-Grenze verstoßen, so Egelkamp. »Es gibt eine Notwendigkeit, aber auch eine Perspektive für frühzeitige Klimaneutralität.« Im »Transformationsszenario« der Studie zur klimaneutralen Wärmeversorgung würde Berlin 12,4 Millionen Tonnen CO2 bis 2035 einsparen. Theoretisch könne die Umsetzung auch schon bis 2030 gelingen. Für die Umstellung auf Erneuerbare Energie müsste die Hauptstadt allerdings 4,24 Milliarden Euro in die Erschließung des Fernwärmenetzes investieren. »Das sind Riesensummen, aber mit einem Riesenmehrwert«, findet Egelkamp.

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»Die Einhaltung der Pariser Klimaziele ist für uns unverhandelbar«, sagt Michelle Grunwald von Fridays for Future. Wer wie der Berliner Energiekonzern Vattenfall heute noch ein neues Gaskraftwerk bauen will, »macht sich schuldig an der globalen Krise«. Deshalb fordert Fridays for Future vom neuen Berliner Senat, gesetzlich zu regeln, »dass alle fossilen Energieträger bis spätestens 2035 aus dem Wärmenetz verbannt werden«, so Grunwald. In der letzten Legislatur sei dahin gehend viel zu wenig passiert, ergänzt Eric Häublein vom Bürger Begehren Klimaschutz. Er sieht die Berliner Stadtwerke als den richtigen kommunalen Partner, mit dem die Umstellung auf erneuerbare Energie umgesetzt werden könne. »Sollte Vattenfall diese Investitionen nicht tätigen wollen, sollte das Land Berlin über den Rückkauf der Wärmenetze verhandeln und eine Vergesellschaftung prüfen«, fordert Häublein.

Außerdem sei bei der Planung von Energieparks eine Kooperation mit dem Land Brandenburg notwendig, da in Berlin die entsprechenden Flächen fehlen, sagt Kerstin Doerenbruch von Greenpeace Berlin. »Parallel muss Berlin bei der Sanierung endlich vorankommen. Dazu müssen sozialverträgliche energetische Sanierungen des Wohnungsbestands gezielt von Bund und Land gefördert werden«, fordert Tilmann Heuser vom Umweltverband BUND Berlin.

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