Frei, aber krank

Der kasachische Dissident Aron Atabek wird aus dem Gefängnis entlassen.

  • Birger Schütz
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Wangen sind blass und von scharfen Furchen durchzogen, der Bauch so tief einfallen, dass sich unter der Haut deutlich einzelne Rippenbögen abzeichnen, die abgemagerten Arme erinnern an Aufnahmen von Überlebenden eines Konzentrationslagers: So sieht das Foto von Aron Atabek aus, das in Kasachstans sozialen Medien derzeit für Entsetzen und Empörung sorgt. Der am längsten einsitzende politische Häftling des zentralasiatischen Landes wurde Anfang Oktober überraschend nach Hause entlassen – nach mehr als 15 Jahren im Gefängnis. Die drei verbliebenen Jahre seiner Strafe wandelte ein Gericht in ein »Jahr mit Freiheitsbeschränkungen« um. Zuvor hatte sich der Gesundheitszustand des 68-jährigen Dichters, dessen Freilassung der internationale Schriftstellerverband PEN seit Jahren fordert, rapide verschlechtert. Atabek magerte in der Haft 35 Kilo ab und entwickelte Herzprobleme und Diabetes. Nach eigenen Angaben wurden zudem Arme, Beine und Finger gebrochen, bei einem Sturz im Gefängnis soll er sich ein Loch im Kopf zugezogen haben. Zuletzt war der Aktivist so geschwächt, dass er kaum einen Löffel halten konnte.
Verurteilt wurde der Dissident, der zu Sowjetzeiten gegen die kommunistische Partei anschrieb und nach Kasachstans Unabhängigkeit den autoritären Ex-Präsidenten Nursultan Nasarbajew kritisierte, im Jahr 2006. Damals rückten in Schanyrak, einem Vorort der Großstadt Almaty, Bagger und Bulldozer an, um illegal errichtete Unterkünfte von Tagelöhner abzureißen. Die Bewohner wehrten sich mit Gewalt, ein Polizist wurde mit Benzin übergossen und angezündet. Die Behörden beschuldigten Atabek daraufhin, den Widerstand organisiert zu haben und verurteilten ihn zu 18 Jahren Gefängnis. Das Urteil gilt als politisch motiviert. Aron Atabek beteuert seine Unschuld, reichte nie einen Gnadengesuch ein und besteht bis heute auf der Aufhebung des Urteils. Nun will er zu Kräften kommen – und vor Gericht ziehen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.