Ein roter Volkstribun

Klaus Gietinger hat eine Hommage auf Karl Liebknecht verfasst

  • Volker Külow
  • Lesedauer: 3 Min.

Pünktlich zum 150. Geburtstag von Karl Liebknecht schließt der renommierte Sozialwissenschaftler und Autor zahlreicher historischer Sach- und Drehbücher Klaus Gietinger eine Lücke in der bisherigen Literatur über diesen Revolutionär. Die Darstellung beginnt mit einer rund 60 Seiten umfassenden, gut bebilderten Einleitung, die den programmatischen Titel »Karl Liebknecht, der Unterschätzte« trägt. Gewohnt meinungsstark postuliert der Herausgeber seine eigene Sicht auf den berühmten Mitkämpfer von Rosa Luxemburg, den er zu Recht für »einen großen Mann« hält.

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Klaus Gietinger (Hg.): Karl Liebknecht oder: Nieder mit dem Krieg, nieder mit der Regierung! Karl-Dietz-Verlag Berlin, 192 S., br., 12 €.

Literaturbeilage zur Frankfurter Buchmesse
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Auf der Grundlage eigener Forschungsleistungen zeichnet Gietinger dessen Lebensweg vor dem Hintergrund der Geschichte des Kaiserreichs und der SPD, die zunehmend »verpreußte« und schon vor dem Ersten Weltkrieg immer mehr »nach rechts« rückte, kenntnisreich nach. Neben den großen Kämpfen jener Zeit schildert der Autor auch immer wieder die konkreten Umstände, unter denen Liebknecht wirkte, wenn er beispielsweise im Gefängnis 1000 Tüten am Tag kleben musste und nachts seine politischen Texte beim spärlichen Licht einer Straßenlaterne schrieb, das durch ein kleines Guckloch in seine Zelle fiel. Etwas mehr hätte man gern über Liebknechts umfangreiche Tätigkeit als Rechtsanwalt erfahren (er führte über 200 Prozesse), die entsprechenden Recherchen des Leipziger Historikers Matthias John wurden jedoch offenbar nicht rezipiert.

Gietinger scheut im Schlusskapitel der Einleitung »Was bleibt?« nicht die Auseinandersetzung mit revisionistischen Positionen in der gegenwärtigen deutschen Geschichtsschreibung, die auch vor dem von der Konterrevolution ermordeten Liebknecht nicht mehr haltmacht. Mit Verweis auf die Spartakusgruppe werden heute noch immer Ängste vor dem »Bolschewismus« geschürt, wenn selbst ein eigentlich seriöser Historiker wie Martin Sabrow »Liebknechts Grab als Geburtsstätte des ›Sozialfaschismus‹« diffamiert. Wie abseitig diese Interpretation ist, weist Gietinger überzeugend nach, der Liebknecht gleich Rosa Luxemburg als »Liebling der Herzen des Proletariats« bezeichnet. Seine Eloge mündet in das Resümee: »Keiner engagierte sich stärker gegen den preußischen Militarismus, gegen Krieg und ihn förderndes Kapital. Und das lässt ihn auch heute, wo eine vom Kapital beherrschte Welt mehr für Rüstung ausgibt als je zuvor, als Vorbild erscheinen.«

Um diesen Vorbildcharakter zu unterstreichen, folgt ein kurzes Interview mit Christian Jeetze von der Ultra-Gruppe »Filmstadt Inferno 1999« der SV Babelsberg 03. Der Verein spielt in der Regionalliga Nordost Fußball - im Karl-Liebknecht-Stadion. In der Fankurve stehen oft mehrere Hundert Anhänger, die fleißig Karl-Liebknecht-Fahnen schwenken und damit einen faszinierenden, in bundesdeutschen Stadien gewiss einmaligen Anblick bieten.

Nach diesem sportlich-politischen Einschub werden insgesamt 14 Texte von Karl Liebknecht abgedruckt, beginnend mit seiner Rede »Gegen den Hunnenfeldzug« vom 11. Oktober 1900 bis zum berühmten Artikel »Trotz alledem!« in der »Roten Fahne« vom 15. Januar 1919, dem Tag seiner Ermordung. Im Anschluss präsentiert Gietinger vier Passagen aus Liebknechts Fragment »Die Bewegungsgesetze der gesellschaftlichen Entwicklung«, das bis heute nicht die ihm zukommende Bedeutung erhalten hat. Die zu seinen Lebzeiten unveröffentlichten Studien betrieb Liebknecht in den Festungs- und Zuchthauszeiten 1907 bis 1909 und 1916 bis 1918 mit Herzblut und großem Engagement. Dabei bemühte er sich um eine eigenständige philosophisch-theoretische Begründung der Einheit von Sozialismus, Humanismus und Fortschritt.

Zum Schluss werden weniger bekannte Dokumente und Quellen über Liebknecht in Auszügen veröffentlicht. Wer umfassend (und kostengünstig) den neuesten Forschungsstand über Karl Liebknecht erfahren möchte, ist mit diesem Buch bestens bedient.

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