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Bedrohte Vielfalt

Urbane Konflikte und die Krise der Demokratie

  • Tim König
  • Lesedauer: 3 Min.

Städte gelten als politische Laboratorien, sie gelten als strukturell links. In manchen Fällen kommt beides zusammen, etwa in der Geschichte revolutionärer Zentren wie Paris in den Jahren von 1789 bis 1871. Vielerorts ist die urbane Weise zu leben aber auch einfach mit Heterogenität, Pluralität und der Offenheit für Neues verbunden.«

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Peter Bescherer/Anne Burkhardt u. a.: Urbane Konflikte und die Krise der Demokratie. Stadtentwicklung, Rechtsruck und soziale Bewegungen.
Westfälisches Dampfboot, 246 S., br., 28 €.

Mit diesem kräftigen Aufschlag eröffnen Tilman Reitz und Regina Ammicht Quinn ein insbesondere für Kommunalpolitiker, Stadtentwickler und alle aufgeschlossenen Städter höchst interessantes Buch. Schon in der Einleitung müssen die beiden Autoren jedoch ihr alle progressiven Kräfte froh stimmendes Statement einschränken: »Gerade diese Offenheit und Vielfalt werden seit einigen Jahren verstärkt von neuen rechten politischen Kräften und Einstellungen herausgefordert.« Rechte Parteien wie in Deutschland die AfD oder rechte Strömungen wie Pegida verändern das Bild der Städte. Nicht Aufnahme und Assimilation, sondern Ausschluss und Ausgrenzung ist deren Bestreben.

Das zunehmende Umsichgreifen von Rechtspopulismus, Rassismus, Antifeminismus und Demokratiefeindlichkeit in städtischen, aber auch ländlichen Räumen untersuchen Peter Bescherer und Gisela Mackenroth näher. Sie verweisen auf die einander ähnelnden Parolen der US-amerikanischen Tea-Party sowie von AfD und Pegida: »Ich will mein Land zurück!« und: »Wir wollen unsere Stadt zurück!« Abgesehen davon, dass - um es salopp zu sagen - jenen dumpfen »Brüllaffen« weder Stadt noch Land je gehörten (die gehören jenen, die die wirkliche Macht innehaben: den Kapaitalgewaltigen), ist solcherart von interessierter Seite befeuerte »Empörung« höchst gefährlich für jedes demokratische Gemeinwesen. Abwehr erfordert gründliche Analyse der Ursachen und Konflikte, demografischer Dynamik, Migration und unbewältigter Integration, Assimilation sowie infrastruktureller Defizite etwa im öffentlichen Verkehrswesen, hinsichtlich Kindergärten, Schulen, Arztpraxen oder Arbeitsplätzen.

Und da gerät auch die »Ratlosigkeit der Zuständigen« in den Blick, von Bescherer und Robert Feustel hier unaufgeregt und anhand zahlreicher Beispiele vorgeführt. Bewusst wird Verwirrung gestiftet, von Verschwörungsmystikern gezielt aufgebauscht. Aber auch die Medien sind vielfach mitschuldig. Im Kapitel »Von der Parklücke zur populistischen Lücke?« wird der Streit um den Garagenhof in Leipzig geschildert, von dem die AfD profitierte: »Garagen werden abgerissen und einige alte Männer sind aufgebracht.« Andernorts schürt, man glaubt es kaum, ein Fahrradhäuschen (Stuttgart) Emotionen und rechte Vorurteile.

Ausführlich widmen sich die Autoren der Wohnungskrise, ebenfalls Treibstoff für rechten Populismus, von der SPD zu lange vernachlässigt. Sozial gerechte Wohnungspolitik kann sehr wohl Rechtsruck in den Städten ausbremsen. Solidarität gegen »Mietenwahnsinn«, für bezahlbaren Wohnraum, wie hier anhand der Proteste in Leipzigs Nordosten gegen die Immobilienfirma Vonovia geschildert, vermag gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken. Stadtvätern und -müttern schreiben die Autoren ins Stammbuch: »Lebensqualität hat mehr mit solidarischen Strukturen und Mietpreisen zu tun denn mit Slogans und weltberühmten Bauprojekten.«

Kritisch setzen sich die Autoren aber auch mit manchem sozialen und ökologischen Aktivismus auseinander, warnen vor Abgehobenheit. Ein wichtiges Debatten-Buch.

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