Weitere Einmischung ist gefragt

Wohin mit dem ganzen Atommüll? Antworten auf diese Frage werden nach wie vor gesucht - die Bürger*innen sollten sich daran beteiligen

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Atommüll-Politik der noch amtierenden Bundesregierung ist nicht schlüssig. Zwar wurde die Suche nach einem Endlager für die hochradioaktiven Abfälle 2017 neu gestartet, bis 2031 soll sie abgeschlossen und ein Standort gefunden sein. Ab dem Jahr 2050 könnte das Lager den Betrieb aufnehmen und peu a peu befüllt werden. Doch was langfristig mit dem schwach und mittelradioaktiven Atommüll passieren soll, steht in den Sternen.

Das dafür vorgesehene frühere Eisenerzbergwerk Schacht Konrad, das zurzeit von der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) zum Endlager ausgebaut wird, ist heftig umstritten. Die Umweltverbände BUND und NABU sowie die Stadt Salzgitter, Gewerkschaften, Landvolk und Bürgerinitiativen wollen die vor Jahrzehnten erteilte Genehmigung kippen, weil Konrad längst nicht mehr dem aktuellen Stand von Technik und Wissenschaft entspricht.

Zudem ist Schacht Konrad viel zu klein konzipiert. Laut Genehmigung dürfen dort maximal 303 000 Kubikmeter Atommüll eingelagert werden: strahlender Schrott und Schutt aus Atomkraftwerken, radioaktive Rückstände aus Forschungsinstituten, Krankenhäusern und der Industrie. Das Lager sollte schon 2013 in Betrieb genommen werden. Nach immer neuen Verzögerungen ist der Betriebsbeginn derzeit für 2027 geplant.

Für die Abfälle aus der Asse, deren Volumen alleine auf mindestens 100 000 Kubikmeter geschätzt wird, wäre in Konrad eben so wenig Platz wie für die strahlenden und giftigen Rückstände aus der Urananreicherung - letztere galten bis vor kurzem offiziell noch als Wertstoffe.

Morsleben in Sachsen-Anhalt war das Endlager der DDR, mit der Wiedervereinigung ging es in den Besitz des Bundes über. In dem Salzstock lagern rund 37 000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Atommüll. 1998 verhängte das Oberverwaltungsgericht Magdeburg einen Einlagerungsstopp, derzeit läuft das Verfahren zur endgültigen Stilllegung von Morsleben. Für eine weitere Einlagerung von Atommüll kommt die Grube also gleichfalls nicht in Betracht. Wie das Bergwerk Asse II, gilt auch das Endlager Morsleben als einsturzgefährdet. Tonnenschwere Salzbrocken krachten hier schon von Zwischendecken. Der Betreiber ließ Hohlräume deshalb mit Salzbeton verfüllen.

In der Debatte um ein Atommüllendlager fällt immer wieder der Name Gorleben. Der unterirdische Salzstock im niedersächsischen Kreis Lüchow-Dannenberg wurde seit Ende der 1970er Jahre auf seine Eignung als Endlager für hochradioaktiven Atommüll untersucht. Mehr noch, unter dem Deckmantel der Erkundung entstand dort ein fast fertiges Endlager. Ebenso lange protestierten Atomkraftgegner und Bürgerinitiativen gegen eine Festlegung auf den nach ihrer Auffassung ungeeigneten Standort. Auch namhafte Geologen bezweifelten seine Tauglichkeit, weil ein Deckgebirge fehlt und der Salzstock Kontakt zum Grundwasser hat. Im Zuge des Neustarts der Endlagersuche wurde die Erkundung zunächst eingestellt. Vor einem Jahr schied Gorleben aus geologischen Gründen aus dem weiteren Suchverfahren aus.

Und doch hat auch die Wende beim Thema Gorleben politische Gründe. Denn ohne den beharrlichen Protest vor allem der Lüchow-Dannenberger Bevölkerung wäre das Aus für den zerklüfteten Salzstock kaum denkbar gewesen. Gorleben hat gezeigt, dass Fehlentwicklungen selbst gegen mächtige Interessen in Wirtschaft und Politik korrigiert werden können, wenn Bürgerinnen und Bürger mutig Verantwortung übernehmen.

Die Entscheidung gegen Gorleben kann dazu beitragen, dass die Menschen verlorenes Vertrauen in die Endlagersuche zurückgewinnen. Die Entscheidung gegen Gorleben ist aber nicht das Ende der Geschichte. Der Atommüll bleibt, und damit die Frage, wie er möglichst sicher für Jahrtausende verwahrt werden kann. Eine Lösung des Problems ist noch sehr weit entfernt.

Die Suche nach einem Endlager soll transparent und wissenschaftsbasiert verlaufen, so wird es versprochen. Doch bislang sind die Mitspracherechte der Betroffenen beschränkt. Sie müssen im weiteren Verlauf des Verfahrens eingefordert und auch erstritten werden. Aus Sicht von Atomkraftgegnern Grund genug also, sich weiter einzumischen. Auch wenn das Endlager endgültig nicht in Gorleben gebaut wird.

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