• Politik
  • AfD im Landratsamt verhindern

Jamaika in der Kreisverwaltung

In Sachsen wird überlegt, wie AfD-Erfolge bei den Landratswahlen 2022 zu verhindern wären

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Sachsens politische Landkarte ist seit September blau. Von einer Ausnahme im Vogtland abgesehen, gewann die AfD zur Bundestagswahl alle Direktmandate außerhalb der Großstädte. Lange war der ländliche Raum im Freistaat die Machtbasis der CDU. Nun landeten deren Kandidaten auf Platz 2 – in aller Regel mit gehörigem Abstand.

Dieses Wahlergebnis sorgt für Alarmstimmung. Schließlich wird auf dem sächsischen Land schon in acht Monaten erneut gewählt: Im Juni 2022 sind in neun der zehn Landkreise neue Landräte zu bestimmen. Die Kreisverwaltungen waren bisher fest in CDU-Hand. Bis auf zwei Parteilose und eine SPD-Frau standen stets Unionspolitiker an ihrer Spitze. Nach den jüngsten Ergebnissen ist das nicht mehr ausgemacht. »Die CDU kann sich nicht mehr als gesetzt ansehen«, sagt Franziska Schubert, Fraktionschefin der Grünen im Landtag. Die AfD wittert Morgenluft. Gewinne sie auch nur eine der Landratswahlen, sei das »unser endgültiger Durchbruch«, sagte ihr Landeschef Jörg Urban der »Bild«.

Dass die AfD schon bisher auch Chancen hatte, wenn es um Chefposten in einer kommunalen Verwaltung ging, zeigte sich 2019 in Görlitz. Bei der Wahl des Oberbürgermeisters in der ostsächsischen Stadt lag ihr Kandidat Sebastian Wippel im ersten Wahlgang vorn. Sachsens Kommunalrecht kennt keine echte Stichwahl und erlaubt es in einem zweiten Wahlgang allen Kandidaten, erneut anzutreten. Nur der Umstand, dass die Drittplatzierte Schubert sich zurückzog, obwohl sie als Kandidatin eines Wählerbündnisses auf immerhin 27,9 Prozent gekommen war, verhalf in Runde zwei CDU-Mann Octavian Ursu zum Sieg. Im Juni 2022 dürfte Wippel sich erneut bewerben, nun als Landrat. Er hat durchaus Chancen. CDU-Amtsinhaber Bernd Lange tritt nicht erneut an. Der Landkreis ist eine Hochburg der AfD; bei der Bundestagswahl kam ihr Bundeschef Tino Chrupalla hier auf 35,8 Prozent. Auch in Bautzen und dem Erzgebirge, wo langjährige CDU-Landräte nicht erneut antreten, sind Erfolge der AfD nicht ausgeschlossen.

In anderen Parteien beginnt man daher zu überlegen, wie Erfolge der Rechten zu verhindern sind. »Zwei Drittel der Wähler geben ihre Stimme nicht der AfD«, sagt Silvio Lang, Kreischef der Linken in Bautzen: »Dem muss man gerecht werden.« Er plädiert dafür, rechtzeitig Bündnisse zu schmieden. In Bautzen liefen schon Gespräche mit SPD und Grünen. Allerdings sind die drei Parteien im ländlichen Ostsachsen von Mehrheiten weit entfernt: Im Wahlkreis Bautzen I brachten sie es zur Bundestagswahl zusammen auf 24,4 Prozent, in Görlitz auf 25 Prozent – acht bzw. elf Punkte weniger als die siegreiche AfD. Es wäre, meint Lang, daher sinnvoll, wenn sich »alle demokratischen Parteien an einen Tisch setzen und Szenarien besprechen«.

Die dürften freilich nicht so aussehen wie in Görlitz vor drei Jahren. Dort hatte die CDU Ursus Sieg im Anschluss für sich allein reklamiert; die damalige Bundeschefin Annegret Kramp-Karrenbauer frohlockte im Kurznachrichtendienst Twitter: »Die CDU ist die bürgerliche Kraft gegen die AfD.« Nicht nur Schubert, deren Rückzug eine maßgebliche Rolle gespielt hatte, äußerte sich nachdenklich – umso mehr, als sich Absprachen, die es vor dem entscheidenden Wahlgang zwischen Ursu und Schuberts Bündnis gab, im Nachhinein als nicht belastbar erwiesen hätten.

Eine Blaupause für die Landratswahl 2022 ist das also nicht. Schubert hält es vielmehr für notwendig, »kluge Allianzen« bereits vor der Wahl zu schmieden – und sieht dafür die CDU in der Pflicht: »Sie sollte lernen, sich zu bewegen.« Dazu gehöre, in den potenziellen Bündnissen verbindliche inhaltliche Vereinbarungen zu treffen, die im Wahlkampf auch vertreten werden. Dafür müsste die CDU, die in Sachsen jahrelang allein regierte und kleinere Partner in Koalitionen bis heute gern als bloße Mehrheitsbeschaffer für ihre eigene Politik sieht, »über ihren Schatten springen«, sagt Schubert. Prinzipiell seien kommunale Koalitionen gegen die AfD möglich, glaubt sie: »Eine Ampel oder Jamaika kann im ländlichen Raum funktionieren.«

Manchmal aber sendet schon die Auswahl der Kandidaten anderslautende Signale aus. In Bautzen dürfte die CDU Vizelandrat Udo Witschas aufstellen. Er fiel in der Vergangenheit durch Gespräche mit Rechten auf – und gilt links der CDU praktisch als unwählbar.

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