Auf die Nettorente kommt es an
Förderdschungel in der privaten Altersvorsorge
»Die Rente ist sicher!« Dieser legendäre Satz des altbundesdeutschen Arbeitsministers Norbert Blüm hatte lange Bestand. Zur Jahrtausendwende platzte dann der Traum an der ökonomischen und finanzpolitischen Wirklichkeit. Die rot-grüne Koalition teilprivatisierte die gesetzliche Rente und reformierte 2000/2001 die Rentenversicherung. Seither sinkt im Trend der Rentenanspruch, wenn man ihn an dem jeweiligen Arbeitseinkommen vor dem Renteneintritt misst.
Das »Rentenniveau« (Netto vor Steuern) lag nach Angaben des Sozialverbandes VdK im Jahre 2004 nur noch bei 52,9 Prozent und 2021 bei 47,5 Prozent. Bis 2030 soll es nach der geltenden Rechtslage nicht unter 43 Prozent fallen. Selbst dieses eigentlich wenig ehrgeizige Ziel zu erreichen, ist kein Selbstläufer. Denn die Zahl der Rentner nimmt zu, und der Zuschuss, den der Staat in die Rentenkasse einzahlt, steigt und steigt. Dieses Jahr werden es schon mehr als 100 Milliarden Euro sein, die der Bund an die Deutsche Rentenversicherung (DRV) überweist.
Kommt die große Rentenreform?
Für die neue Bundesregierung heißt das, dass eine große Rentenreform fällig ist. Darin sind sich alle Parteien einig. Doch nicht einig sind sie sich darin, wie das aussehen könnte. Wunder sind also nicht zu erwarten. Berufsanfänger und Menschen unter 40 sollten sich notgedrungen die Frage stellen, ob und wie sie in eine private Altersvorsorge »investieren« wollen.
Die Altersvorsorge mit ihren unterschiedlichen Förderwegen und Belastungen im Alter erweist sich selbst für Profis »als nahezu undurchdringlicher Förderdschungel«, sagt Alberto del Pozo, Geschäftsführer von Mypension, einem Unternehmen, welches die Altersvorsorge vereinfachen will, bei der Vorstellung einer Studie des unternehmensnahen Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA).
Das niederschmetternde Fazit der Studie: Sie können bei der Wahl eines Weges nicht einschätzen, welcher für ihre Situation der effizienteste ist. Zudem bringt der enorme staatliche Förderaufwand nicht die ursprünglich von der Politik erhofften Effekte. So führen zum Beispiel vermeintlich stark geförderte Sparformen - wegen Einbußen bei der gesetzlichen Rente und der Abgabenbelastung im Alter - zu vergleichsweise niedrigen Nettorenten.
In der DIA-Studie »Was für Sparer übrig bleibt« wurden anhand von fünf Musterfällen die Nettorenten untersucht, die sich in den einzelnen Förderwegen - Entgeltumwandlung mittels Direktversicherung, Riester-Rente, Basisrente und private Rentenversicherung - bei gleichem Nettoeinkommen ergeben (das heißt nach der Einzahlung in den Altersvorsorgevertrag). Die angeführten fünf Musterfälle reichen vom normal verdienenden Ehepaar mit zwei Kindern bis zu allein lebenden Topverdienern.
Betriebliche Rente oder Riester?
Die Betriebsrente schneidet eher schwach ab. Sie führt zu Einbußen bei der gesetzlichen Rente durch die Entgeltumwandlung. Zudem drohen hohe Abgaben im Alter. Diese beiden Faktoren und die wegen der vorgeschriebenen Beitragsgarantie vorsichtige Kapitalanlage der Direktversicherung führen dazu, dass trotz der bevorzugten Förderung in der Ansparphase die betriebliche Rente in all den betrachteten Musterfällen beim Vergleich sehr deutlich unterliegt.
Die Riester-Rente ist für Geringverdiener aufgrund der hohen Zulagenzahlungen eindeutig die effizienteste Altersversorgung.
In den anderen vier Musterfällen schnitt die private Rentenversicherung im Vergleich mit der Riester-Rente besser ab. Die Basisrente wiederum erweist sich für Selbstständige und für Sparer mit hohem persönlichem Steuersatz als die Versorgung mit der höchsten Nettorente. Dabei müssen beträchtliche Einschränkungen bei der Flexibilität in Kauf genommen werden.
Die private Rentenversicherung erweist sich dagegen für Sparer attraktiver als erwartet. Grund dafür sind die niedrige Ertragsanteilsbesteuerung und die höhere Rendite, die durch eine freiere Kapitalanlage in der Ansparphase möglich wird. Allerdings ist diese Anlageform mit Risiken verbunden. Auch beim Vergleich mit der Entgeltumwandlung mittels Direktversicherung in der betrieblichen Altersversorgung schneidet die private Rentenversicherung besser ab.
Noch sind es Prognosen
Letztlich haben wir es hier mit Prognosen zu tun. Bei der Beurteilung der geförderten Altersvorsorge ist die erwartete Rendite meist von größerem Einfluss als die eigentliche staatliche Förderung. Doch welche Rendite in Zukunft von den Anbietern erwirtschaftet und teilweise an ihre Kunden weitergegeben wird, ist eine unbekannte Größe. Auch wenn das Deutsche Institut für Altersvorsorge Finanzmarktakteuren wie der Deutschen Bank nahesteht, zeigt die Studie dennoch erneut, wie reformbedürftig das Drei-Schichten-System und die vier geförderten Altersvorsorgevarianten sind.
Die komplette Studie sowie weitere Informationen finden Sie auf der Internetseite des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (www.dia-vorsorge.de).
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