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Südpolarmeer wird zum Schutzgebiet
Antarktis-Kommission berät über Ausweitung von Zonen, in denen der Fischfang begrenzt wird
Zum mittlerweile 40.|Mal ist die Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (CCAMLR) am Montag zu ihrer Jahrestagung zusammengekommen. Die Mitglieder tagen noch bis Ende Oktober auf Australiens »grüner« Insel Tasmanien.
Deren Hauptstadt Hobart ist ein Zentrum der Antarktisforschung und nur 2700 Kilometer von dem Kontinent aus Eis entfernt. Auch historisch war Hobart ein wichtiger Anlaufpunkt für Antarktisforscher: Im März 1912 stieg bereits der norwegische Forscher Roald Amundsen nach seiner erfolgreichen Reise zum Südpol dort ab.
Der CCAMLR gehören als Vollmitglieder insgesamt 24 Staaten und die EU an. Vertreten werden sie entweder durch Ministerien oder durch wissenschaftliche Institutionen. Die Kommission ist für die Umsetzung des Übereinkommens über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis zuständig, das für Umweltschutz trotz der wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen zahlreicher Staaten sorgen soll.
In diesem Jahr ist bei Umweltschützern die Hoffnung auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen der Antarktis-Kommission über die Ausweisung neuer Meeresschutzgebiete in der Ostantarktis, der Antarktischen Halbinsel und dem Weddellmeer groß. Hier wäre Fischerei gar nicht mehr oder nur noch unter Auflagen erlaubt. Weniger als zwei Wochen vor Beginn der nächsten UN-Klimakonferenz im schottischen Glasgow könnte die internationale Gemeinschaft in Hobart bereits ein positives Zeichen setzen. Die neuen Schutzgebiete würden beinahe vier Millionen Quadratkilometer und damit ein Prozent der Weltmeere umfassen. Die Fläche entspricht ungefähr der Größe der Europäischen Union. »Es wäre die größte Meeresschutzmaßnahme der Geschichte und ein zentraler Hebel im Kampf gegen die globale Klimakrise«, erklärte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH).
Das Südpolarmeer in der Antarktis sei »ein lebenswichtiges Ökosystem« und spiele »eine entscheidende Rolle zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits«, so Müller-Kraenner. »Es erwärmt sich jedoch mit einer beispiellosen Geschwindigkeit und steuert aktuell auf einen ökologischen Kipppunkt zu.« Deshalb dürfe beim Schutz des Südpolarmeers keine Zeit mehr verloren gehen.
Letzteres betont auch eine Gruppe von Klimawissenschaftlern in einem Offenen Brief an die Tagungsteilnehmer. Die Polarregionen seien schon jetzt am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, heißt es darin. Dieser dränge die Antarktis-Region in Richtung mehrerer Kipppunkte, also nicht mehr umkehrbarer Veränderungen. Dies hätte globale Auswirkungen für die Menschheit und auf die Biodiversität.
Auch eine Petition von Umweltschützern an die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der CCAMLR betont die Dringlichkeit der Schutzmaßnahmen. »2020 wurde auf dem antarktischen Kontinent mit über 20 Grad Celsius die höchste Temperatur aller Zeiten gemessen«, heißt es in dem Schreiben. Der Kontinent sei von schmelzendem Eis, der Erwärmung des Meeres und der Intensivierung der Fischerei geplagt; dabei sei er »unentbehrlich für die Stabilisierung des Weltklimas«.
Deutschland kommt in den derzeitigen Verhandlungen eine besondere Rolle zu, denn es hat den Vorschlag zum Schutz des Wedellmeeres eingebracht. Bis auf China und Russland haben die Deutschen alle Mitglieder bereits auf ihre Seite gebracht. Um die geplanten Meeresschutzgebiete einzurichten, braucht es jedoch einen einstimmigen Beschluss.
Bereits vor fünf Jahren schaffte es die Antarktis-Kommission, wichtige Meeresschutzmaßnahmen durchzusetzen. Damals wurden rund 1,55 Millionen Quadratkilometer im Rossmeer vor der Südküste des Kontinents - eine Fläche etwa viermal so groß wie Deutschland - zur Schutzzone erklärt. Die historische Vereinbarung, die im Dezember 2017 in Kraft trat, war ein erster Sieg für die vielfältige Tierwelt der Region: Mehr als 10 000 Tierarten, darunter Pinguine, Wale, Seevögel, Tintenfische, Knochenfische, Robben und antarktischer Krill - Kleinkrebse, welche die Nahrungsgrundlage der meisten anderen Meerestiere sind - profitierten von der damaligen Entscheidung.
Die Antarktis ist der höchstgelegene, trockenste, kälteste und windigste Kontinent der Erde. Sie gilt als eines der letzten Naturreservate der Erde und ist zudem wichtig für die Stabilität des Klimas. In der bis zu 4500 Meter dicken Eisdecke sind rund 90 Prozent des weltweiten Eises und 70 Prozent der Süßwasserreserven gebunden. Politisch gilt die Antarktis momentan als sogenanntes Niemandsland. Mindestens bis zum Jahr 2041, wenn der Antarktisvertrag ausläuft, kann kein Land Anspruch auf den Kontinent aus Eis erheben.
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