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Gegen alte Fehler bei neuen Gleisen
Bündnis Pro Straßenbahn fordert Neubaustrecken ohne Behinderungen durch Autos
In weniger als zwei Wochen eröffnet die Straßenbahnverlängerung vom Bahnhof Schöneweide in die Wissenschaftsstadt Adlershof. Doch die Attraktivität der neuen Strecke hat einen entscheidenden Haken: Die Tram wird für das Teilstück, auf dem derzeit ein Bus fährt, deutlich länger brauchen: fünf mit der M17 statt bisher drei Minuten mit dem Bus 163 soll laut Fahrplanauskunft die Fahrt von Schöneweide zur Landfliegerstraße dauern. Grund sind Linksabbiegerphasen für Autos.
Das Bündnis Pro Straßenbahn will, dass auf Neubaustrecken »die Straßenbahn ohne Behinderung fahren kann und schnell vorankommt«. Die Züge sollten »wesentlich schneller als heute der Bus« verkehren und »Fahrgäste die Haltestellen mit direkten, kurzen und barrierefreien Zugangswegen erreichen« können, heißt es in einer Mitteilung vom Mittwoch. Dem Bündnis gehören Umwelt- und Verkehrsverbände, die Gewerkschaft Verdi, die Berliner Linke und die Grünen sowie der Fachausschuss Mobilität der SPD an. »Die Straßenbahn soll einen entscheidenden Beitrag zur Verkehrswende von der autogerechten, umweltschädlichen zur menschengerechten, umweltschonenden Stadt leisten, so wie es im Berliner Mobilitätsgesetz verankert ist«, so das Bündnis.
»Ich erwarte vom neuen Senat, dass er die gute Vorlage des Mobilitätsgesetzes auch umsetzt«, sagt Jens Wieseke, Sprecher des Berliner Fahrgastverbands Igeb zu »nd«, der auch Mitglied von Pro Straßenbahn ist. »In dieser Hinsicht hat die letzte Legislaturperiode enttäuscht«, so Wieseke weiter. Die Planungen für Neubaustrecken dauerten wesentlich länger als veranschlagt und alte, autogerechte Lösungen sind nicht geändert worden. Auf vielen Linien mussten die fahrplanmäßigen Fahrzeiten verlängert werden - unter anderem wegen Ampelschaltungen, die die Straßenbahn benachteiligen.
Aktueller Stein des Anstoßes ist die Planung für die weitere Verlängerung der Straßenbahnlinie M10 von der Turmstraße in Moabit Richtung Jungfernheide. »Obwohl die meisten Straßen etwa 33 Meter breit sind, wurden überwiegend Gemeinschaftsspuren mit dem Autoverkehr geplant«, wird kritisiert. Das führe dazu, dass die Straßenbahn sich bei schlechter Umsetzung von Ampelschaltungen, die eine Fahrt vor der Autokolonne ermöglichen soll, »hinter den Autos anstellen muss und im Autostau stehen wird«. Das führe dazu, dass die Züge selbst bei flüssigem Autoverkehr immer erst anhalten und den ersten Pulk von Autos vorbeifahren lassen müssen.
Das ist an der M10 schon heute zu beobachten, zum Beispiel an der Haltestelle am U-Bahnhof Eberswalder Straße. Der Knoten ist durch die schlechte Verkehrsführung eine der Hauptursachen für viele Verspätungen und Fahrtausfälle auf der gut ausgelasteten Linie.
Neue Straßenbahnstrecken müssten der Anlass sein, »den Straßenraum entsprechend dem Anteil und Bedarf der Fortbewegungsarten neu aufzuteilen, also mehr Platz für zu Fuß gehende, verweilende und Rad fahrende Menschen zu schaffen«, fordert das Bündnis. Außerdem gelte es, die Aufenthaltsqualität zu verbessern und Ladezonen für das Gewerbe zu schaffen. Der verbleibende Platz könne für Autospuren verwendet werden, »nicht umgekehrt«, heißt es deutlich.
Zu viele Autos machen krank. Deutliche Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs nötig
Bei der M10-Verlängerung nach Jungfernheide dürfe nicht das »richtige Ziel«, Baumbestand und Grünstreifen möglichst zu erhalten, dazu führen, dass keine eigene Fläche für die Straßenbahn mehr bleibt. Lösungen könnten beispielsweise die bauliche Verhinderung von Durchgangsverkehr, Einbahnstraßen, weniger oder gar keine Abbiegespuren sein. Das Bündnis Pro Straßenbahn erwartet die Ausreizung aller Möglichkeiten für eine zukunftsfähige Planung.
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