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Regenbogenstreifen im Herbst
Die Radsportlerinnen holen im Verfolgungsrennen bereits den zweiten deutschen Sieg bei den Weltmeisterschaften auf der Bahn
Im Velodrom von Roubaix flogen am Donnerstagabend Fäuste durch die Luft und schrille Schreie der Freude gellten durch das Oval. Die deutschen Radsportlerinnen hatten nach Olympiagold in Tokio und dem EM-Titel im Oktober in Grenchen nun auch noch den Titel bei den Bahnrad-Weltmeisterschaften gewonnen. Damit war der Erfolgsplan, aber auch der Modeplan perfekt erfüllt.
»Jetzt wollen wir noch die Streifen am Trikot«, hatte die 28-jährige Bielefelderin Mieke Kröger vor den Weltmeisterschaften in Nordfrankreich locker als Ziel formuliert. Wer einen WM-Titel im Radsport holt, hat nicht nur das Recht, das ganze nächste Jahr mit dem Regenbogentrikot in Wettkämpfen der jeweils gewonnenen Disziplin an den Start zu gehen. Das Reglement besagt auch, dass die kleinen Regenbogenstreifen für immer an die Trikotärmel angenäht werden dürfen. Das hat für den Vierer der Frauen nun auch noch geklappt. Der Sieg im Finale gegen Italien stellt zugleich den krönenden Abschluss eines fantastischen Jahres dar.
In Tokio hatte Kröger gemeinsam mit Lisa Brennauer, Lisa Klein und Franziska Brauße Olympiagold in der Verfolgung geholt. Mit Klein und Brennauer gewann sie ein paar Wochen später schon ein Regenbogentrikot bei der WM auf der Straße, in der Mixed-Staffel. Danach folgte der EM-Titel, erneut auf der Bahn, diesmal mit Laura Süßemilch anstelle der verletzten Klein. In der gleichen Besetzung folgte jetzt, in Roubaix, der nächste Triumph: Der Sieg gegen die Italienerinnen fiel deutlich aus, mit fast fünf Sekunden Vorsprung.
Besondere Position
Im Halbfinale hatte das deutsche Quartett die Irinnen sogar eingeholt - und so noch etwas Kraft gespart für den großen Auftritt am Donnerstagabend. Bei dem hatte Kröger eine besondere Position. Erst baute sie in ihrer einzigen langen Führung den Vorsprung über mehrere Runden von zwei Zehntelsekunden auf mehr als eine Sekunde aus - und demoralisierte so die Gegnerinnen. Nachdem sie dann planmäßig ausgestiegen war, wurde sie zur begeisterten Zuschauerin. Am oberen Rand der Bahn trudelte sie aus. »Ich hatte von da die letzten vier Runden alles gut im Blick und habe gesehen, dass wir gut vor den Italienerinnen lagen. Da habe ich noch mal richtig geschrien. Es war einfach toll, es mit anzusehen«, erzählte sie.
Damit war der Grand Slam zwischen Bahn und Straße perfekt. Bei den Italienerinnen war mit Elisa Balsamo immerhin die frischgebackene Straßenweltmeisterin im Team. Ebenso Martina Fidanza, die tags zuvor Weltmeisterin im Scratch geworden war. Und Letizia Paternoster verpasste das Finale nur deshalb, weil sie am gleichen Tag überlegen den WM-Titel im Ausscheidungsfahren gewonnen hatte. Die Klasse der Konkurrenz veredelt den deutschen Triumph.
Erfolgsspur wiedergefunden
Über neue Streifen am Textil konnten sich in Roubaix am Mittwoch schon Pauline Grabosch, Emma Hinze und Lea Sophie Friedrich freuen. Für das Trio allerdings ist ein Regenbogentrikot im Teamsprint fast schon Routine. Grabosch war bereits 2018 erfolgreich, damals mit der mittlerweile zurückgetretenen Miriam Welte und der verunglückten Kristina Vogel. Im letzten Jahr holte sie mit Hinze und Friedrich in Berlin den Titel.
In diesem Jahr aber schienen sie aus der Erfolgsspur gerutscht. Bei Olympia in Tokio unterlagen Friedrich und Hinze den Chinesinnen, bei der EM gab es Silber für Friedrich und Grabosch hinter den Niederländerinnen. Hinze legte derweil eine Pause ein. Sie musste die eigene Enttäuschung verarbeiten und auch mit der in ihren Augen zu geringen Wertschätzung der Silbermedaille in den Augen von Medien und Öffentlichkeit fertig werden. Und Friedrich kam aus den Europameisterschaften zudem mit einer Erkältung heraus und musste eine ganze Woche im Bett verbringen. Trotz dieser ungünstigen Ausgangslage war das Trio in Roubaix sehr souverän. »Das fühlt sich großartig an. Ich bin sehr stolz, dass wir dreimal Weltrekord gefahren sind und das Trikot wieder erobern konnten«, meinte Hinze. Als Unterschied zu Olympia bemerkte sie: »Heute war wieder die Leichtigkeit da. Ich bin anders rangegangen. Es macht auf jeden Fall wieder Spaß.«
So sind auch weitere Erfolge in Roubaix denkbar. Am Wochenende gehen die Frauen noch im Zeitfahren, Keirin, Punktefahren, Zwei-Teamfahren und in der Einerverfolgung an den Start, für die Männer stehen noch Omnium, Sprint und das Ausscheidungsfahren auf dem WM-Programm.
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