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Nationalistische Politik versus globale Verknüpfungen
Beim World Health Summit 2021 in Berlin wurde auch über den Zusammenhang von Covid-19 und Migration diskutiert
»Covid-19 hat die Welt näher zusammengebracht. Denn wir können diese Pandemie nicht getrennt voneinander, sondern nur gemeinsam lösen.« Die Worte von Alexander Krämer klingen im ersten Moment wie eine bereits oft gehörte Phrase, doch was der Seniorprofessor für Gesundheitswissenschaften an der Uni Bielefeld in seinem Vortrag beim World Health Summit sagte, ist alles andere als trivial. Krämer ist seit 2016 auch Leiter des Fortschrittskollegs »Herausforderungen und Chancen globaler Flüchtlingsmigration für die Gesundheitsversorgung in Deutschland« und war unter anderem zum Thema Klimawandel Berater der Bundesregierung. Er denkt die Dinge zusammen, doch die Politik hört ihm offenbar nicht zu.
Die Finanzkrise 2008, die Flüchtlingskrise 2015, der Klimawandel und nun die Covid-19-Pandemie – all diese Krisen sind für Krämer miteinander verknüpft und zeigten eine Art Kettenreaktion. So habe die Sparpolitik, die von den mächtigen Staaten wie Deutschland schwächeren Ländern im Süden auferlegt werde – man denke an Schäubles Umgang mit Griechenland während der Schuldenkrise –, direkte Auswirkungen auch auf den Gesundheitssektor dieser Länder. Und das mache sich dann wiederum negativ bei der Bekämpfung von Covid-19 bemerkbar. Dasselbe gelte in noch viel eklatanterer Weise für das Impfgefälle zwischen den Staaten im Norden und denen im Süden. »Afrika bekommt von den reichen Ländern keine Unterstützung, und das wird auf uns zurückfallen«, ist sich Krämer sicher.
Wie um zu beweisen, wie wenig sich die herrschende Politik gerade in Deutschland um solche Bedenken kümmert, wies Noch-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bereits am Sonntag in seiner Rede zur Eröffnung des Kongresses jegliche Verantwortung von sich. Dass Afrika mit der Impfquote so weit zurückliege, so Spahn, liege nicht etwa daran, dass die Industriestaaten zu wenig Vakzine dorthin lieferten. Vielmehr sei die mangelnde Organisation vor Ort schuld, dass die afrikanischen Länder nicht genügend Impfstoff annehmen könnten.
Im Gegensatz zu solchen Äußerungen wurde auf dem Podium zum Thema »Der Einfluss von Covid-19 auf die Gesundheit von Migranten und Geflüchteten« herausgearbeitet, dass es vor allem die nationalistische Politik vieler Länder sei, die der Lösung von Problemen im Weg stehe. Das zeige gerade die Corona-Pandemie sehr deutlich. »Wir haben auf der Welt nie einen stärkeren Widerstand gegen Geflüchtete gesehen als in den vergangenen 50 Jahren«, resümierte der Direktor des Internationalen Zentrums für Migration, Gesundheit und Entwicklung (ICMHD), Manuel Carballo. Und das vor dem Hintergrund, dass Fluchtbewegungen untrennbar mit der Existenz von Menschen auf diesem Planeten verbunden seien.
Akihiro Seita vom Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) machte klar, dass Migranten und Geflüchtete mit ihren erhöhten sozialen und biologischen Risikofaktoren die vulnerabelste Gruppe seien. Und so wie es um die Versorgung der Gesundheit ihrer Vertreter stehe, so wirke sich das letztlich immer auch auf alle anderen gesellschaftlichen Gruppen aus. Die aktuellen Zustände an der deutsch-polnischen sowie an der polnisch-belarussischen Grenze mit ihren Pushbacks und restriktiven Grenzsicherungen zeigten einerseits, wie versucht wird, ebenjene am meisten gefährdeten Menschen als gefährlich und störend auszuschließen, und andererseits, wie dringend ein Umdenken in größeren Zusammenhängen nötig ist.
Denn die Fluchtbewegungen werden nicht aufhören, sondern im Gegenteil zunehmen. »Der Klimawandel führt ja bereits seit Langem zu immer mehr Migration, die eben meistens noch Binnenmigration ist, wie zum Beispiel von Somalia nach Kenia innerhalb des afrikanischen Kontinents«, sagt Gesundheitswissenschaftler Krämer. Doch dabei bleibe es nicht, früher oder später zögen die Menschen weiter. »Und die EU scheitert seit Jahren daran, die Flüchtlingssituation in irgendeiner Weise zu regulieren«, kritisiert Krämer.
Einen weiteren Aspekt der Ungleichheit gerade zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden sieht der Wissenschaftler in der sogenannten Syndemie. Diese bedeute das Zusammenspiel von schweren bis tödlichen Covid-19-Verläufen mit altersbedingten Vorerkrankungen, die im Norden viel häufiger auftreten, weil hier die Lebenserwartung um viele Jahre höher ist als beispielsweise in großen Teilen Afrikas. Damit jedoch eine Impfquote von teilweise unter zehn Prozent auf dem mehrheitlich schwarzen Kontinent zu begründen, so als ob mehr gar nicht nötig wäre, würde an übelste koloniale Zeiten erinnern. Obwohl es ja manchmal scheint, als wären diese noch gar nicht lange vorbei.
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