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Die letzte Festung gegen RWE
In Lützerath gibt es noch ein Privatgrundstück, um das wegen des Braunkohleabbaus gestritten wird
Vor wenigen Wochen nannte Greta Thunberg das Dorf Lützerath im Rheinland einen »Ort voller Traurigkeit«. Der Lebensmittelpunkt von zahlreichen Menschen – Häuser, Kirchen, Bäume – musste den Plänen des Energiekonzerns RWE bereits weichen. Auch in Lützerath will das Unternehmen nach Kohle graben. Bundesweit konzentriert und mobilisiert die Klimabewegung nun in das rheinische Braunkohlerevier. Derweil ist in Lützerath ein Klimacamp entstanden. Etwa 200 Menschen sind dauerhaft vor Ort. Aktivist*innen bauen Hütten und Baumhäuser. Im Oktober startete die Rodungssaison. Seitdem darf RWE mit Abrissarbeiten anfangen. Nun gibt es allerdings Entwarnung: Bis zum 7. Januar dürfte ein Teil des Dorfes bestehen bleiben.
Es handelt sich um das Grundstück von Eckhardt Heukamp. In Sichtweite seines Bauernhauses dreht sich das Schaufelrad des riesigen Kohlebaggers und gräbt sich Erdschicht um Erdschicht näher an sein Zuhause. Er ist der letzte Dorfbewohner. Wenn es nach RWE geht, hätte sich das bis zum 1. November ändern sollen. Dann fällt sein Grundstück in den Besitz des Großkonzerns – bevor in einem Hauptverfahren über die Rechtmäßigkeit der Enteignung entschieden ist. Heukamp wehrt sich in einem Eilverfahren. Nachdem das Verwaltungsgericht Aachen eine vorzeitige Besitzeinweisung bestätigte, legte der Bauer am Oberverwaltungsgericht Münster Beschwerde ein. Trotzdem hätte der Konzern mit Beginn des Novembers und ohne Urteil mit dem Abriss starten können. Nun hat aber RWE überraschend zugesagt, Heukamps Hof bis zum 7. Januar nicht zu räumen.
Ab dem 29. Oktober organisieren verschiedene Bündnisse gemeinsam das »Unräumbar-Festival«. Geplant sind Workshops, Live-Musik und Skillshares mit Lernvideos, die auf Rodungen und Abrisse vorbereiten. Emilia Lang, Sprecherin von Ende Gelände, rechnet mit 1000 Protestierenden. Aktionen sowie Programm sollen bis zum 5. November gehen. Am Sonntag demonstriert Fridays for Future. Die vorzeitige Zusage von RWE, das Grundstück von Heukamp nicht anzutasten, ist laut dem Bündnis Alle Dörfer bleiben keine Entwarnung. Umliegende Flächen sowie Bäume und Häuser könnten jederzeit Kohlebaggern zum Opfer fallen.
Für die Klimabewegung ist Heukamps Hof so etwas wie die letzte Festung gegen RWE. Die Grenze zum Tagebau stehe sinnbildlich für die 1,5-Grad-Marke des Pariser Klimaabkommens. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bestätigt, dass die Kohle unter Lützerath auch dort bleiben müsse, damit Deutschland sein Treibhaus-Budget für das 1,5-Grad-Ziel nicht sprengt. Dorothee Häußermann von Alle Dörfer bleiben nennt die Pläne von RWE »wahnsinnig«. Für Paris müssten die Bagger vor Lützerath still stehen. Auf Anfrage des »nd« teilt der Konzern mit, dass es in der Natur des Bergbaus liege, dass er »Raum greift und sich in eine Richtung entwickelt«.
Lang glaubt: »Wir können schaffen, was wir schaffen wollen – wenn wir viele sind.« Christina Schliesky von der Fridays-for-Future-Ortsgruppe Hochneukirch im Rheinland pflichtet dem bei: »RWE muss lernen, dass wir nicht hinnehmen, dass ein Konzern über unsere Zukunft entscheidet.« Hochneukirch liegt nur wenige Kilometer von der Kohlegrube entfernt. Kürzlich kritisierte die Aktivistin und Seenotretterin Carola Rackete, dass die Bewegung um Fridays for Future nicht radikal genug sei. Schliesky widerspricht: »Es gibt Gruppen, die besetzen Bagger, während wir Menschen auf die Straße holen. Die brauchen wir alle, um Lützerath zu verteidigen. Bei uns gibt es eine Möglichkeit, das eigene Aktionslevel zu finden.«
Die Polizei geht von friedlichen Protesten aus. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass mit einem »Eindringen in den Tagebau sowie mit Besetzungen von Gerätschaften zu rechnen ist«. In dem Fall müsse die Polizei »gemäß ihres gesetzlichen Auftrages einschreiten«. Aktivist*innen vor Ort rechnen auch mit Repressionen. Alle Dörfer bleiben organisiert seit Monaten regelmäßig Dorfspaziergänge. Zuletzt beteiligten sich bis zu 700 Menschen. Es seien immer mehr Menschen, die in das Kohlerevier reisen. Die Präsenz von Aktivist*innen konnte bisher verhindern, dass »RWE vorzeitig Fakten schafft – das ist auch weiterhin nötig«. Die Initiative verweist darauf, dass eine Entscheidung aus Münster auch vor dem angesetzten Termin im Januar kommen könnte. Je nach Ausgang wäre Heukamp dann wieder »akut bedroht«.
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