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Fischfang und Klima
Negative Einflüsse der industriellen Fischerei auf die CO2-Bindung in den Meeren
Wenn Zusammenhang von Fischfang und Klima diskutiert wird, dann geht es meist um schrumpfende Bestände als Folge der Erwärmung und Versauerung der Ozeane. Doch Untersuchungen der vergangenen Jahre liefern immer mehr Hinweise dafür, dass umgekehrt auch die Überfischung das Klima massiv beeinflusst. Denn viele der gefragtesten Fischarten aus den Ozeanen stehen an der Spitze der Nahrungskette. Wenn sie also nicht vom Menschen gegessen werden, sterben sie irgendwann und ihre Kadaver sinken auf den Meeresgrund. Mit ihnen versinkt dort eine ganze Menge Kohlenstoff. Natürlich werden die Überreste toter Fische und Wale auch dort von Mikroben zersetzt, wobei dann der gebundene Kohlenstoff als Kohlendioxid wieder freigesetzt wird. Doch dieser Prozess läuft bei den relativ niedrigen Temperaturen weit langsamer ab als an Land und zudem bleibt das entstehende CO2 im Wasser der Tiefsee gelöst.
Das Absinken von Biomasse - Pflanzenreste, Plankton, Tierkadaver, Kot - wird auch als biologische Kohlenstoffpumpe bezeichnet. Es wird geschätzt, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ohne diese biologische Pumpe 150 bis 200 ppm höher wäre, als sie tatsächlich ist. Zur Orientierung: im vorindustriellen Zeitalter lag die Konzentration bei 280 ppm, aktuell bei 415 ppm. In den Ozeanen ist etwa 45-mal mehr CO2 gespeichert als in der Atmosphäre und 20-mal so viel wie an Land in Vegetation und Böden. Das Kohlendioxid wird zum einen physikalisch im Wasser gelöst und zum anderen über die Fotosynthese von Phytoplankton in Biomasse umgewandelt - die Basis der maritimen Nahrungsnetze. Das Phytoplankton wird von Zooplankton gefressen, dies wiederum von Fischen.
Wenn die Fische am Ende der Nahrungskette dem Meer entnommen und von Menschen verspeist werden, reduziert das die Leistung der biologischen Kohlenstoffpumpe entsprechend. Deshalb kam bereits Ende 2020 eine im Fachjournal «Science Advances» publizierte Studie von Wissenschaftlern der Universität Montpellier (Frankreich) und der University of British Columbia (Kanada) zu dem Ergebnis, dass der industrielle Fischfang allein seit 1950 rund 730 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt hat. Knapp die Hälfte der Fischfänge, die dafür verantwortlich sind, stammte nach Angaben der Forschenden aus Fängen, die ohne Subventionen unwirtschaftlich gewesen wären. Die Forderung von Ozeanologen und Meeresforschern nach einem Ende der Subventionierung von Fischereiflotten, die sie vergangene Woche in einem Brief an das Wissenschaftsjournal «Science» formulieren, dient also nicht allein dem Erhalt vieler Fischarten. Sie würde auch dem Klimaschutz helfen.
Eine Studie von Wissenschaftlern um Daniele Bianchi von der University of California Los Angeles, die kürzlich ebenfalls in «Science Advances» erschien, beleuchtet nun noch den zweiten Aspekt des Einflusses der Fische und der industrialisierten Fischerei auf den Kohlenstoffkreislauf im Meer. Und der betrifft Fische aller Größen. Die Forscher haben in ihrer Arbeit erstmals versucht, den Beitrag des Fischkots beim Kohlenstofftransport in die Tiefe der Meere genauer zu bestimmen. Mit dem Kot sinken immense Mengen Kohlenstoff auf den Meeresgrund und bleiben dort mehrere Jahrhunderte gespeichert. Wenn der Fischfang die Menge der Fisch verringert, passiert das Gleiche auch mit der Menge der Ausscheidungen. Es wird also weniger CO2 in den Meeren gespeichert.
Für ihre Studie entwickelten die Forschenden ein globales marines Ökosystemmodell. Die Wissenschaftler schätzen, dass in Jahren mit maximalen Fangmengen die Biomasse der befischten Arten um mehr als die Hälfte reduziert wurde. Sie berücksichtigen dabei alle Fänge in der Größenordnung 10 Gramm bis 100 Kilogramm Körpergewicht einschließlich angelandeter Wirbelloser wie etwa Tintenfischen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die aktuell befischten Arten vorindustriell zehn Prozent des biologischen Materials produzierten, das als Kot zum Meeresboden abgesunken ist und sich dies durch die Fischerei bis in die 1990er Jahre um fast die Hälfte reduziert hat.
Der an der Studie nicht beteiligte Biogeochemiker Eric Achterberg vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (Geomar) hält die Arbeit für richtungsweisend, weil sie erstmals versucht, den Einfluss von Fischen und Fischerei in die biogeochemischen Modelle der Meere zu integrieren. «Es gibt nicht viele Untersuchungen über die Auswirkungen der Fischerei auf den Kohlenstoffkreislauf und die anderer Elemente (Stickstoff, Sauerstoff, Phosphor). Daher ist diese Studie einzigartig.» Einen Schwachpunkt sieht er allerdings in den wenig belastbaren Zahlen zur Menge der Biomasse des Fischbestands. «Nach mehr als 100 Jahren Forschung haben wir immer noch keine zuverlässigen Daten über Fischbestände und Fänge», konstatiert der Kieler Wissenschaftler.
Achterberg gibt zu bedenken, dass das vom Menschen produzierte CO2 derzeit im Wesentlichen dank der physikalischen Pumpe im Meer gespeichert wird, also durch Aufnahme von CO2 im Meerwasser und das Absinken von Wassermassen. Das bestätigt auch Nicolas Gruber von der ETH Zürich: «Die biologische Pumpe - ob klassisch über Phyto- und Zooplankton oder nun auch über die Fische - ist global (fast) balanciert und führt daher zu keiner ›Senke‹. Allerdings könne »eine Veränderung der biologischen Pumpe zu einem Freiwerden von im Ozean gespeicherten CO2 führen«. Und Achterberg hält für wahrscheinlich, dass es wichtigere Umweltstressoren gibt, die die biologische Kohlenstoffpumpe beeinflussen - zum Beispiel die Erwärmung und die Versauerung der Ozeane.
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