Polizei versus Pressefreiheit

Journalist wird gezwungen, ein Video zu löschen – Behörde gesteht Fehlverhalten

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 5 Min.

Es sei »ein Skandal«, was dem britischen Journalisten Tom Wills in der vergangenen Woche vor dem Landesamt für Einwanderung passiert ist, sagt Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in der Gewerkschaft Verdi. Polizist*innen und Sicherheitskräfte der Behörde behinderten Wills dort an seiner Arbeit als freier Journalist und zwangen ihn, ein Video zu löschen, das er von einer Festnahme gedreht hatte.

Zufällig beobachtete Tom Wills, als er einen Termin im Landesamt für Einwanderung hatte, wie Beamt*innen von Polizei und Sicherheitsdienst vor dem Gebäude einen Mann mit Gewalt zu Boden drückten und begann, mit seinem Handy zu filmen, da die Festnahme im öffentlichen Interesse liegen könnte. Doch sofort hätten sich Security-Leute vor ihn gestellt und die Sicht blockiert, berichtet Wills »nd«, obwohl er gesagt habe, dass er Journalist sei. Ein Sicherheitsmann habe ihn nach seinem Presseausweis gefragt, den er nicht dabei hatte. Sein Vorschlag, dass ein Redakteur ihm einen Nachweis schicken könne, wurde nicht akzeptiert. Der Sicherheitsmann behauptete, dass Wills keine Erlaubnis zum Filmen gehabt habe und das Video löschen müsse.

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»Ich war in einer sehr schwachen Position, weil ich zu meinem Termin musste und Angst hatte, ihn nicht einhalten zu können«, sagt der Journalist, der als Ausländer der Behörde verpflichtet war – der Zugang zum Amt sei ihm jedoch erst einmal verweigert worden. Auf eine Aufforderung des Sicherheitsmannes hin habe eine Polizistin Wills Pass gefordert und wiederholt, dass er das Video löschen müsse. Erst nachdem er das getan hatte, habe er seinen Ausweis zurückbekommen und konnte den Termin mit drei Minuten Verspätung wahrnehmen – »eine sehr hinterhältige Taktik«, findet Wills.

»Das Verhalten der Sicherheitsleute ist völlig inakzeptabel. Herr Wills war angewiesen auf den Termin und so erpresst zu werden, ist schon beispiellos. Das war ein erniedrigendes und demütigendes Erlebnis«, sagt Jörg Reichel zu »nd«, der Tom Wills nun in der Angelegenheit gegenüber Polizei und Einwanderungsbehörde vertritt. Die Beamt*innen hätten sich rechtswidrig verhalten, denn grundsätzlich hat jeder Mensch das Recht, einen Polizeieinsatz zu fotografieren und zu filmen. Im Falle einer Veröffentlichung müssten lediglich personenbezogene Daten wie Gesichter unkenntlich gemacht werden. Eine entsprechende Rechtsbelehrung wäre völlig ausreichend gewesen. Auch dass die Polizist*innen mit den Security-Mitarbeitenden »gemeinsame Sache gemacht« hätten, sei rechtswidrig. Das bestätigt auch Thilo Cablitz, Sprecher der Berliner Polizei. »Die Aufforderung nicht zu filmen geht nicht, grundsätzlich darf jeder die Polizei filmen«, sagt er zu »nd«. Die Beamt*innen dürften zwar die Identität der filmenden Person feststellen und im Zweifel, falls das Video unverpixelt veröffentlicht würde, hinterher strafrechtlich vorgehen, aber auf keinen Fall vorab die Löschung verlangen.

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Dass der Mitarbeiter der Einwanderungsbehörde Wills den Zugang verweigert habe »grenzt schon an Nötigung«, so Cablitz. Er habe den Vorfall an die Beschwerdestelle der Polizei weitergeleitet, die den Sachverhalt aufarbeiten müsse. Für die beteiligten Polizist*innen könne das Fehlverhalten disziplinar- oder sogar strafrechtliche Folgen haben. Auch dass der Eindruck der Diskriminierung entstanden sei, indem Wills Status als Ausländer praktisch ausgenutzt worden sei, spiele dabei eine Rolle. »Das zerstört Vertrauen in die Polizei«, sagt Cablitz.

Jörg Reichel findet das Eingeständnis eines Fehlverhaltens »erstaunlich offen«. Auch der Direktor des Landesamts für Einwanderung, Engelhard Mazanke, habe sich für das Verhalten der Security entschuldigt. »Das ist ein gutes Signal«, sagt Reichel. Auf die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit des Vorgehens antwortete Mazanke jedoch, »dass mir hier die Expertise fehlt«, wie es in einer Mail heißt, die »nd« vorliegt. Tom Wills ist damit nicht zufrieden. »Das ist doch sein Job, zu wissen, was legal ist«, sagt er.

Grundsätzlich sei der Fall exemplarisch für ein Fehlverhalten, das regelmäßig auf den Straßen Berlins zu beobachten sei, findet Reichel. »Packen Sie das Handy ein«, sei häufig von Polizist*innen zu hören, wenn sie gefilmt würden, obwohl das niemandem verboten sei, Journalist*innen genauso wenig wie allen anderen Menschen. »Der Vorfall hat deutlich gezeigt, dass es bei der Polizei einen dringenden Qualifizierungsbedarf in Sachen Presserecht gibt«, so der Berliner dju-Landesgeschäftsführer.

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Auch Tom Wills ist wichtig, für das Recht zu kämpfen, Polizei und Security filmen zu können. »In England herrscht viel mehr die Erwartung, dass Presse und Öffentlichkeit filmen, was die Polizei tut«, berichtet er. »In einem Land, wo das de facto verboten ist, fehlen wirklich demokratische Bedingungen«, findet er. Sein Vertrauen in Deutschland als einen Rechtsstaat, in dem sich Staatsorgane der Öffentlichkeit gegenüber rechenschaftspflichtig verhalten, sei durch das Erlebnis jedenfalls geschwächt worden.

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